Italien 31.05.2008
Wir kommen mit drei Stunden Verspätung in Ancona an und sind wieder auf der reichen „Seite“ der Erde.
Mit dem Geld, das hier auf der Straße rollt, könnte man wahrscheinlich Nepal kaufen.
Es herrscht dichter Verkehr und hier wird auch zum ersten Mal wieder schnell gefahren. Durch
diesen Teil Italiens sind wir schon oft gefahren, aber heute sehen wir es mit anderen Augen.
Es ist ordentlich und vor allem ist es grün. Ungläubig betrachten wir die Kühe, ach ja so sehen
die aus. Wohlgenährt auf saftigen Wiesen, nicht klapperdürr auf irgendwelchen Müllbergen.
An einer Tankstelle kaufe ich eine kleine Flasche Cola und mich trifft fast der Schlag. 2,60 €
will der völlig gelangweilte Mitarbeiter hinter der Kasse dafür haben. So was hat die letzten
Monate zwischen 25 und 35 € Cent für 1,5 Liter gekostet und zwar das Original. Wieso ist das hier
so teuer, die Produktion läuft doch zum größten Teil automatisch?
Schweiz
Wir kaufen die Vignette für ca. 30 €, für dieses Geld haben wir in Asien zwei bis drei
Tage all inclusive gelebt. Es tut weh!
Vor dem Gotthard wird das Wetter ungemütlich. Kalt. Den Nieselregen brauchen wir wirklich
nicht. An der letzten Tanke vor dem Tunnel wird noch einmal Pause gemacht und Annette
rüstet auf. Der Tunnel ist dann trotz meiner verrückten Gedanken kein Problem.
Warum auch? Leider ändert sich das Wetter auf der anderen Seite nicht! Das Grün muss
ja irgendwo herkommen!
Irgendwann sehe ich ein Schild Motel. Eigentlich sollte es ein Campingplatz vor Luzern werden.
Es kommt kein Widerspruch, als ich raus fahre, ganz im Gegenteil!
„Guten Abend, Doppelzimmer? 97 €! Wie möchten Sie zahlen, Franken oder Euro? Karte?" Ich gebe
ihm die Maestro Card und die Sache ist erledigt. Fahrstuhl, wir stehen vor unserem Zimmer,
ohne vorherige Besichtigung!
Wir sind wieder in heimischen Gefilden, es ist so seltsam! Saubere
Betten, Handtücher, eine saubere, funktionierende Dusche, so sollte es sein. Hatten wir nicht oft!
Aber das „gelobte“ Land hat seinen Preis! War es die letzten Monate so unerträglich? Wir genießen
erst einmal! Es ist, als hätte uns Scotty in eine andere Welt gebeamt.
Abends gehen wir auf den Ratschlag unseres „Hotelbesitzers“ in nah gelegenes Restaurant zum Essen.
Es ist das Gleiche wie bei der Zimmerwahl: Gut, schnell und ohne Worte, nur halt teuer! Ist uns
heute (ziemlich) egal, nur keine Worte.
Am nächsten Morgen ist das Wetter milde gestimmt und die Kilometer bis zur Grenze sind schnell
gemacht.
Germany
Schon in Thailand habe ich gewitzelt: „ In Deutschland wissen sie bestimmt auch nicht,
was ein Carnet ist“. Tatsächlich ist es auch so, nur hier sprechen wir die selbe Sprache.
Die junge Dame bemüht sich, ihre Unwissenheit zu überspielen, wir sind wieder angekommen.
Wollten wir das wirklich?
Auf den letzten paar Kilometern lernen wir dann das „perfekte“ Deutschland kennen.
Kurz hinter Hockenheim bremst uns ein Polizeiwagen unvermittelt auf der Autobahn aus!!!
aber richtig!!! Kai sieht nur eine Chance: raus auf die andere Spur. Der Wagen, der dort
angebraust kommt, hat zum Glück ABS. Es raucht und quietscht kräftig, aber es kracht zum
Glück nicht. Wäre das unser Polo gewesen, wir wären vermutlich „platt“ gefahren worden und
der arme Fahrer hätte keine Chance gehabt. Hätte Annette gekonnt, ich glaube sie hätte im
ersten Reflex die Polizisten "erschlagen"! Sie schimpft und gestikuliert - wie eine Wilde in
Richtung des Polizeiwagens, das hätte auch ganz anders ausgehen können, nach 53000 Kilometern
in der Welt, dann auf der deutschen Autobahn!!!! So „eng“ war es selbst in Indien nie!
Es ist zum Glück nichts passiert, wir kommen alle mit einem gehörigen Schrecken davon, der
zum Bremsen gezwungene Autofahrer hat einiges an Profil eingebüßt. Kurz darauf überholt uns
der Polizeiwagen und fordert uns auf, ihm auf einen Rastplatz zu folgen. Es entwickelt sich ein
heftiges Wortgefecht zwischen Annette und den beiden Beamten. Sie hat sich offensichtlich immer
noch nicht beruhigt. Der Schreck sitzt in allen Gliedern fest. Es lag ein Teppich auf der Straße,
die Polizisten wollten uns warnen, wollten nicht, dass wir darüber fahren und uns etwas passiert.
Wenn die gewusst hätten, wo wir herkommen. Jede der Parteien hat den Vorgang anders wahrgenommen.
Häufig bei solchen Extremerlebnissen. Die Situation wird geklärt und alles ist gut!
Nach elf Monaten kommen wir wieder in unserem Wohnort an. Wir sind wieder zu Hause, oder nicht?
Unsere lieben Nachbarn, die uns so sehr bei unseren Reisen unterstützen, haben die Ente gehört
und begrüßen uns.
Das war eine Freude!
Nachlese
Wir waren nicht über den Wolken, wie in Mey´s Lied, aber das was mir/uns groß und wichtig erschien,
wird tatsächlich nichtig und klein. Es wird ersetzt durch eine natürliche, völlig unbekümmerte Freundlichkeit
und Hilfsbereitschaft. Der bei uns viel zu oft strapazierte Begriff der Nächstenliebe ist in den
meisten Ländern noch eine natürliche Selbstverständlichkeit. Vielleicht geboren aus der Notwendigkeit
der Lebensbedingungen, vielleicht aus religiösen Motiven. Für den, der sie erleben darf, ein
wunderschönes prägendes Erlebnis. Wie weit haben wir uns von den menschlichen Basics entfernt.
Das Paradoxe: jeder, der uns geholfen hat, würde wahrscheinlich sofort mit uns tauschen wollen,
ohne zu ahnen, was er verliert! In Esfahan, im Iran, kann man an Häuserwänden viele Zitate aus dem
Koran lesen. „Sprecht freundlich zu den Menschen“ wird mir dauerhaft im Gedächtnis bleiben, so einfach,
so wahr und so ungeheuer hilfreich!
Wie war es? Was war das Schönste, werden wir häufig gefragt. Das sind Fragen, die nicht einfach
zu beantworten sind. Die Fragenden gehen dabei eher von eigenen Erfahrungen mit zeitlich und
räumlich begrenzten Urlaubsfahrten aus. So viele (zu viele) Eindrücke sammelt man auf einer
solchen Reise: Gute, schlechte und manchmal ist man einfach nur sprachlos. Bricht man das
Ganze nur auf die menschlichen Begegnungen herunter, so muss ich mich eigentlich über mein
Verhalten zu Hause schämen! Aber es ist halt ein Gesamtpaket, die beiden „Australier“ nennen es
Reisearbeit
Ein sehr treffender Begriff. Ich/Wir hatte/n den Begriff gehört,
aber in seiner Bedeutung während der Reise noch nicht wirklich verstanden.
Erkenntnisse oder wie man das nennt im Nachhinein:
- Die Strecke war definitiv zu lang für die zur Verfügung stehende Zeit,
- es war zu wenig, oder gar keine Zeit, die Ereignisse zu verarbeiten, das
ist mir erst zu Hause klar geworden, leider zu spät!!
- der „Visum-Stress“ ist ein europäischer, zumindest für den Teil und die Zeit,
in der wir dort gereist sind.
Wir würden uns nie mehr von einem Visum in Zeitdruck
bringen lassen. Irgend etwas geht immer, auch wenn es nicht so geplant ist!
Immerhin war dies ein Argument für meinen Zeitdruck. Aus der heutigen Sicht, völlig für die Füße!!