Indien
Planet Indien (Nord) – 23. März bis 13. April 2008
Gorakhpur, Faizarabad, Allahabad, tausendjährige Tempelstadt Khajuraho, Tempel und Paläste
in Orcha, Taj Mahal in Agra, danach über Bareilly hoch in den Himalayah mit u.a. den
Stationen: Ranikhet, Gauchar, Rishikesh, Shimla, Rampur, Sangla/Chitkul, Mandi,
Pathankot, dann über Amritsar nach Pakistan
Wir sind jetzt seit neun Monaten in der „Welt“ unterwegs und haben bisher noch keinen
„Urlaub vom Reisen" genommen. Fahren, Fahren, Fahren, Aufnehmen, Planen, Organisieren,
Staunen, jeden Tag agieren und re-agieren in neuen Situationen. Die Einsichten sind
zuweilen recht spannend und unerwartet. Ein Jahr in diesem Tempo ist allerdings schlicht
zu viel. Zu wenig Verarbeitungszeit. Wir lieben es sehr, aber "die-Welt-genießen" seems
to be hard work sometimes... Wir sind momentan nicht die Entspanntesten und bitten dies
bei unserer Schilderung von Indien zu berücksichtigen.
Unbedingt: Wir haben die Inder immer als offen, interessiert, freundlich und hilfsbereit kennen gelernt!
Annette schrieb in ihre erste Indien-Mail:
Indien ist schlicht unbelievable! Ohne Worte. Einfach heftig. Wir sind in einer der Menschen-
und Tier-dichtesten Gegenden im Norden Indiens. Massen. Verkehr höllisch. Ständiges Hupen. Jeden
Tag sehen wir schwere Unfälle. Internet wird rarer und immer langsamer. Stromausfälle.
Es ist verdammt heiß und trocken hier. Unbelievable!
Wir haben von Indien-Reisenden tolle Geschichten über Indien gehört und können sie ausnahmslos bestätigen.
Unsere Reise hat uns nur durch einen sehr kleinen Teil dieses großen Landes geführt, ob es anderswo
grundsätzlich anders ist, wissen wir nicht aus eigener Erfahrung. Die Bergregion, die wir besucht haben,
unterscheidet sich mit Ausnahme der Stadtdurchfahrten deutlich von der Ebene. Im Straßenverkehr
konnten wir weder mit der Blechkarosserie eines Autos noch der Schmalheit eines Motorrades punkten.
Und für die Leute, die vor 30 Jahren in Indien waren, sei angemerkt, dass sich die Bevölkerungszahl
seit Anfang der 70er Jahre mehr als verdoppelt hat!!! - Tendenz steigend..
Die Einreiseformalitäten in Sunauli laufen freundlich und unproblematisch, nur will der Zoll tatsächlich
die Fahrgestell- und Motornummer sehen. Nach kurzem Hin- und Her: Wir sind in Indien.
Unser erstes Ziel ist Gorakphur ca.100 km südlich der Grenze. Schon auf den ersten Kilometern lernen wir,
dass die Straße nicht Verkehrsraum sondern Lebensraum ist. Jeder und alles ist auf der Straße und ALLES
wird genau dort erledigt, wo man gerade steht, liegt, hockt, sitzt oder fährt. Den Lebensraum teilen sich:
Hunde, Hühner, Affen, Kühe, Schafe, Ziegen, Pferde, Kamele, Fußgänger, Schläfer, Karrenschieber, ein- oder
zweispännige Ochsen- oder Pferdefuhrwerke, Traktoren, Fahrräder, Mopeds, Autos, Tuk-Tuks, Tempos,
Fahrradrikschas, Sammeltaxis, Lkw's und Busse.
Und wir mittendrin mit unserem Gespann.
Das an sich würde eigentlich schon reichen, erschwerend kommt aber noch eine Eigenart bei der Fortbewegung hinzu:
"Der Inder" hat ein Ziel und das steuert er unbeirrt an. Die Welt um ihn herum hat auf seinen Wunsch, stehen zu
bleiben, abzubiegen, loszufahren, in die falsche Richtung zu fahren (natürlich aus Sicht des anderen)
zu reagieren. Blinker, Bremsleuchten oder Rückspiegel braucht man da natürlich nicht. Letztere stören
im Verkehr ja nur, also werden sie, wo noch vorhanden, einfach weggeklappt. Die einzige immer funktionierende
Einrichtung aller Fahrzeuge ist die Hupe und sie wird für ALLES eingesetzt. Das heißt, man betätigt sie und
fährt los. Egal, ob vor einer Kurve, ob Gegenverkehr, im dicksten Stadtgewimmel, Hauptsache hupen und fahren.
Auch wenn es nicht den geringsten Sinn macht, dafür aber wenigstens Krach.
Im Stadtverkehr wird überall dort gefahren, wo "der Inder" glaubt, dass Platz ist. Die Flussrichtung spielt
dabei überhaupt keine Rolle. Kreisverkehre werden grundsätzlich nach dem Prinzip des kürzesten Weges
durchfahren. Sammeltaxis, Busse, Tuk-Tuks oder Tempos halten grundsätzlich mitten auf der Straße um
Fahrgäste ein- oder aussteigen zu lassen. Auf einer eineinhalbspurigen Straße kommt da Freude auf.
Reparaturen wie Reifenwechsel oder ähnliches werden grundsätzlich da gemacht, wo man den Schaden
bemerkt, sprich AUF der Straße, auch wenn daneben zwei Meter Grünstreifen ist. Wenn's hoch kommt
wird alles "gesichert" durch ein paar Zweige oder Steine – nicht mit Abstand, nein, direkt hinter
dem Fahrzeug auf der Straße platziert.
Das größte Gottvertrauen aber haben offensichtlich diejenigen, die den warmen Asphalt als den geeigneten
Schlafplatz ansehen und sich mitten auf die Straße legen und schlafen. Dass das mit dem Gottvertrauen
offensichtlich nicht ganz ausreicht, zeigen die vielen schweren Unfälle, die wir gesehen haben. Wobei
wir uns gewundert haben, dass nicht mehr passiert.
Eine weitere Herausforderung ist die Orientierung in den Städten. Gorakphur hat fast 700 000 Einwohner,
was für indische Verhältnisse nicht besonders groß ist, aber es gibt keine Straßenschilder. Da es in
indischen Städten (wir sind erst einen Tag in Indien!) keine Wohnhochhäuser gibt, haben sie eine riesig
Ausdehnung. Immerhin wissen wir, das „unser“ Hotel in der Nähe einer Bank liegen soll. Unsere Versuche
nach dem Weg zu fragen verlaufen erfolglos.
Wir haben in Gorakphur an diesem Tag niemanden gefunden, der auch nur ein Wort englisch gekonnt hätte.
Also fahren wir auf gut Glück in der Stadt umher. Es ist Sonntag und es ist relativ wenig los. Unser Bild
von Indien beginnt zu wanken, Die Nation, die unser deutsches IT-Spezialistenproblem mittels
Greencard lösen soll?
Irgendwann stehen wir tatsächlich vor der „National Bank of India“, gegenüber ein Schild mit dem Namen
„unseres“ Hotels. Etwas zurückversetzt von der Straße. Also, geht doch!
Als wir das Gebäude sehen: Hier sind wir falsch, viel zu teuer!. Drinnen holt uns die Realität ein! Das
dritte gezeigte Zimmer (weiter suchen??) nehmen wir trotzdem. Vorkasse! Wir haben aber noch keine indischen
Rupien! Palaver! Schließlich wird akzeptiert, dass wir erst Geld „organisieren“ müssen (alles ohne gemeinsame
„Sprache“). Wir „richten“ uns ein und gehen in die Stadt.
Vor der Bank steht bewaffnetes Personal. Maestro Card – kein Problem! Aber es gibt nur umgerechnet 50 €.
Also zur nächsten Bank. Diesmal etwas zurückgesetzt von der Straße und ohne „Personal“. Uns ist schon
ein wenig komisch, die Armut hier ist bei jedem Schritt zu spüren! Ich habe lange überlegt, wie ich das
beschreiben soll. Mir fehlen die Worte! Mit den „Taschen voller Geld“ ziehen wir los um einzukaufen. Bier,
Klopapier, Wasser und Gemüse stehen auf der Liste.
Die Stadt ist trostlos, obwohl wir im Bankenviertel sind! Katmandu war dreckig, bettelnde Kinder, aber
hier.... . Zum Fotografieren konnten wir uns hier nicht überwinden... Die Leute schlafen auf der Straße,
Kühe „plündern“ die Müllhaufen und überall Siff und Dreck übelster Art. Unsere Ausbeute beschränkt sich
auf genügend Wasser und wir erreichen ziemlich entnervt unser Hotel und begleichen unsere „Schulden“.
Nächste Übung: Moskitonetz irgendwie über den zusammengerückten Betten aufhängen, denn es wimmelt hier nur
so vor Mücken und das Zimmer ist alles andere als "dicht", so dass auch die radikale Methode keinen Erfolg
verspräche. Erstaunlich auf welche Ideen frau/mann im Laufe einer solchen Reise kommt.
Im Hotelrestaurant - erstmals sizzler, stuffed paratha und baked vegetables, sehr gut! - sind wir abends
die einzigen Gäste, komische Stimmung. Indien hatten wir uns schwierig vorgestellt, aber sooo.. .
Andere Reisende hatten uns erzählt, dass ihre Tagesetappen ca. 200 km auseinander gelegen haben. Nach unserem
ersten Indientag glauben wir das gerne, und nehmen uns für morgen nur 120 km vor. Den Garmin (Navi) habe ich
eigentlich die ganze bisherig Tour nur als Tacho benutzt, jetzt sind wir heilfroh ihn zu haben. Denn während
der ersten Tage versanden die Landstraßen, die in eine Stadt führen, grundsätzlich in kleinsten Gassen oder
sogar Märkten. Größere Hauptrouten durch die Städte oder gar Umgehungsstraßen gibt es hier nicht. Wir fahren
mit der „World-Map“. Um die schilderlosen indischen Städte zu verlassen, ist der Garmin „Gold“ wert. Den Weg
nach Varanasi sparen wir uns, wir haben in Nepal Ghats gesehen.
In Faizarabad lernen wir den Service der Mückenspirale kennen. Sie wird sofort bei Bezug des Zimmers angezündet.
Erst wundern wir uns noch, das macht doch keinen Sinn? Dann entdecken wir wieder einen recht kapitalen
Spalt zwischen Tür und Fußboden zum Außengang raus und dicke Ritzen in der Außenwand wo die "Klimaanlage"
eingesetzt wurde. Wir lieben unser Mückennetz!
Am nächsten Tag nach Allahabad. Wieder keine Straßenschilder, wir brauchen fast zwei Stunden,
bis wir uns in der Stadt orientiert haben. Jeder befragte Inder - auch die Polizei - schickt uns
sehr freundlich und überzeugt in die falsche Richtung. Wenn wir nicht einen eigenen Stadtplanauszug
dabei gehabt hätten, würden wir heute noch suchen! Das angepeilte Hotel Ramkrishna ist definitiv nicht
mehr existent, also nehmen wir den Tourist Bungalow (1155,- Rupien), direkt am Busbahnhof in der
Innenstadt, „Big Basar“, nachts lauter Lärm, wir können schon wieder nicht schlafen, aber das
Mückennetz ist klasse! ... und die Dusche im Bad funktioniert. Dank Garmin kommen wir morgens recht
gut aus der Stadt raus. Wir wollen zur 1000-jährigen Tempelanlage Khajuraho.
Ich/wir haben nichts gegen Indien/Inder, nur dieser Teil des Landes ist echt Hardcore. Zelten kommt
nicht im Ansatz in Betracht, es sind überall Menschen, selbst das Rauchen einer Zigarette wird zum
Ereignis: Die Inder zeigen sich uns sehr neugierig, eigentlich ja eine gute Angewohnheit.... !
Zur Verdeutlichung: Im Bundesstaaten Bihar liegt die Bevölkerungsdichte bei 800-1000 Einw./km²,
in Uttar Pradesch bei 600-800 Einw./km² und in den Bergen von Uttarakhand und Himachal
Pradesch bei ca. 120 Einw./km².
Deutschland liegt durchschnittlich bei ca. 220 Einw./km².
Was uns immer wieder auffällt sind die vielen Werdetafeln für private Schulen. Da stehen dann meist
recht große Gebäude in der Landschaft, die angeblich Schulen oder sogar Universitäten sein sollen
und niemand ist drin. Wir besorgen uns – wenn möglich – englischsprachige Tageszeitungen. Im Anzeigenteil
findet man genau diese Schulen, die Hausmeister, Lehrer für alle Fächer und Direktoren suchen.
Jetzt meine Spekulation: offensichtlich kann man Staatsknete kassieren wenn man eine Bildungseinrichtung
eröffnet. Ob sie dann auch wirklich ihre Arbeit aufnimmt, scheint dabei nicht zwingend zu sein.
Und flächendeckende Bildung würde diesem riesigen Land gut tun. Klar, es gibt viele staatliche Schulen,
aber wir sehen sehr viele Kinder und Jugendliche zur „besten“ Schulzeit auf der Straße herum lungern
(trotz Schulpflicht im Alter 6-14 Jahren). Die Alphabetisierungsrate liegt bei ca. 64%, d.h. in Indien
leben etwa 500 Mio. Menschen ohne jede Schulbildung! Deutschland hat ca. 80 Mio. Einwohner...
Noch eine Geschichte, die verdeutlicht, wie Bilder und Gerüchte über „ferne“ Länder entstehen.
In den BBC World News wurde während unseres Indienaufenthaltes ein Beitrag zur Verteuerung der
Lebensmittel in Asien ausgestrahlt. In dem Beitrag beklagt eine Inderin, dass die ihr von der Regierung
zur Verfügung gestellte verbilligte Reismenge nicht zum Leben reichen würde, schließlich habe sie zwölf !!
Kinder. Sie müsse jetzt auf dem Schwarzmarkt Reis beschaffen. In der nächsten Kameraeinstellung sieht
man die Frau und die Reporterin in einem Laden mit Reissäcken und Preisschildern stehen. Schwarzmarkt
mit Preisschildern? Das Ganze ging unkommentiert über den Sender.
Zumindest in dem von uns bereisten Teil von Indien konnte man überall Lebensmittel in jeder Menge kaufen.
Das die Preise steigen liegt doch eher an der permanent steigenden Nachfrage und einem Beharrungsvermögen
bei der Art des Essens. Ein kg Reis kostet z.Zt. ca. 22 Rupien und ein kg Weißkohl 4 Rupien!
In Indien tickt unserer Meinung nach eine Zeitbombe auch wenn westliche Wirtschaftsexperten
Indien boomen sehen, vielleicht sollten die einmal „über Land“ fahren und nicht nur die Prestigeobjekte
der indischen Regierung anschauen. Indien plant z.B. 5 neue Großflughäfen, einer wurde gerade eröffnet,
mit dem Geld könnte man viele Lehrer ausbilden.
Die Tempelanlage in Khajuraho steht offensichtlich bei den Pauschaltouristen neben dem Taj Mahal in Agra
ganz oben auf der Liste. Entgegen den Beschreibungen im Internet ist die Straße in einem erstaunlich
guten Zustand und mit erfreulich wenig Verkehr. Die Landschaft wird hügelig und wir fahren sogar
wieder einmal Kurven. Den Tigerpark besuchen wir nicht, den Rummel haben wir aus Thailand noch in
guter Erinnerung. Außerdem wird es zunehmend heißer, was unseren Tatendrang zusätzlich bremst.
Irgendwann biegen wir rechts ab, natürlich ist kein Schild da. Wir passieren den Flugplatz, plötzlich
wird die Straße vierspurig, neben einem Eselskarren sind wir aber die einzigen Verkehrsteilnehmer
(man glaubt es kaum). Welches Bild von Indien soll den anfliegenden Touristen hier wohl vermittelt werden?
Es gibt erstaunlich viele „sehr teure“ Hotels in denen aber - zur Zeit? - keiner wohnt!
Wir nehmen das erste Hotel südlich der West-Tempel-Anlage, dass vom LP empfohlen wird - Hotel Jhanka
k - 10% Discount 1190,- Rps. pro Nacht, inkl. Tax. Unsere Unterkunft ist dann auch recht luxuriös -
komfortabler Raum mit neuen Fliesen und fast neuen Armaturen im Bad, endlich mal! Nach einigen
Verhandlungen auch zu einem akzeptablen Preis.
Es tut gut wieder einmal in einem sauberen Zimmer mit funktionierenden Sanitäreinrichtungen zu sein.
Vor allem die Klimaanlage ist eine Wohltat. Auch dieses Restaurant kann sich am ersten Abend nicht mit
Annette's Wunsch nach „not hot spicy“ anfreunden, aber am zweiten, yeah!! Dafür machen sich die Köche
jetzt nicht mehr die Mühe für Kai noch zu würzen, obwohl ausdrücklich erbeten...!!! Kai is not very amused...
Am nächsten Morgen: Weltkulturerbe, d.h. gesalzene Eintrittspreise (500,- Rps.), der Gebrauch einer
Videokamera kostet extra. Dafür liegen die acht bis 15 Tempel in einer wunderschön gepflegten Parkanlage.
Blühende Bäume und Blumen, tolle riesige Feigenbaumallee, Affenhorden, Streifenhörnchen, ein Iltis, sehr
friedlich, unser erster ruhiger Tag in Indien.
Die Tempel haben den Spitznamen „Porno Tempel“, weil ein Teil der sie zierenden Reliefs doch recht
freizügig ist, selbst Sex mit Tieren ist kein Tabu. Die hier lebenden Affen scheint das nicht zu stören.
Mittags flüchten wir in unser klimatisiertes Zimmer, draußen sind über 40° C und der Ort bietet
ansonsten nichts Interessantes.
Der Weg nach Orcha geht durch flaches ausgetrocknetes Land. Staubig, heiß und eher langweilig. Im und
um den Ort gibt es zwei riesige Paläste und viele Tempel. Wir suchen das Hotel Ganpati, das uns Diane
und Haydn empfohlen haben. Es liegt etwa 20 m ab von der Hauptstraße in einer sehr schmalen Sackgasse
mit vielen Blumenkübeln und einem 30 cm hohen Absatz zur Hauptstrasse. Die beiden hatten bei ihrem Aufenthalt
Jack (so nennen sie ihr Motorrad) in der Eingangshalle des Hotels geparkt. Nur, unsere Ente passt
nicht mal durch die Gasse, fürchten wir.
Der Hotelbesitzer ist aber sehr daran interessiert, dass wir bleiben. Er muss ein perfektes Augenmaß haben.
Auf jeden Fall werden die schweren Blumenkübel weggeräumt, Steine an den Absatz gelegt und siehe da rechts
und links passt zwar nur noch ein Blatt Papier zwischen Wand und Ente aber sie steht in der Eingangshalle.
Jetzt noch Möbel rücken damit ich sie in der Halle drehen kann, geht doch. Wie wir da wieder raus kommen
werden wir dann sehen.
In dem kleinen Garten des Hotels kann man herrlich ruhig sitzen und hat einen schönen Blick auf die beiden
Paläste. Abends beim Suchen eines Restaurants trifft uns dann wieder die volle Härte des „Touristenfangens“,
d.h. jeder Ladenbesitzer, Straßenhändler oder Bettler macht dich an. Will man dann tatsächlich etwas kaufen,
versuchen sie einen dermaßen über den Tisch zu ziehen, das es keinen Spaß macht. Da wird das Kaufen von
Wasser zur stressigen Aktion.
Der Hotelbesitzer organisiert mir netterweise zwei Flaschen indisches Bier. Am nächsten Morgen habe ich
Kopfschmerzen. Ob es an den angeblichen Zusätzen im Bier oder an etwas anderem liegt, weiß ich nicht,
auf jeden Fall lasse ich zukünftig die Finger davon.
Besichtigung der Paläste: Der Eintrittspreis - er gilt für alle Anlagen zusammen - ist zwar
günstiger als in Khajuraho dafür muss hier aber selbst für die Fotokamera extra bezahlt werden! Auch hier
wieder beeindruckende Architektur. Über schmale Treppen geht es Stockwerk um Stockwerk höher hinauf.
Da ich nicht „schwindelfrei“ bin kapituliere ich beim letzten Aufstieg, obwohl er gar nicht so hoch ist.
Wir besuchen wunderschöne Tempel und Paläste, Weltkulturerbe, die aber letztendlich Ausdruck einer sehr
menschenverachtenden Einstellung ihrer „Erbauer“ zu verdanken sind. Es wurde soviel Liebe zum Detail,
soviel Prunk und Schönheit in Bauwerke investiert, dass der heutige (zahlende) Betrachter allzu oft vergisst,
zu welchem Preis diese „Schönheiten“ entstanden sind.
Die Menschen haben keine Rolle gespielt, Hauptsache die Herrschenden hatten einen neuen Spielplatz.
Der war dann aber wirklich angenehm.
Bemerkenswert sind bei dieser Anlage auch die „Klimaanlagen". Obwohl draußen fast 40° C herrschen,
ist es in den Schlafgemächern angenehm kühl. Die Architekten haben sich ein wirkungsvolles System
von Luftschächten ausgedacht, das selbst bei größter Hitze angenehme Temperaturen in den Schlafräumen
sichergestellt hat. Wir sehen zwar Baugerüste, insgesamt scheint man aber die Paläste ihrem Schicksal
zu überlassen.
Als wir zurück zum Hotel kommen, bemerken wir eine frisch erstellte „Mauer“ am Übergang zur Hauptstraße.
Na Klasse! Hier kommen wir nicht mehr so einfach raus. Schauen wir mal. Langsam müssen wir uns auch
entscheiden ,was wir nach dem Taj Mahal in Agra, unserer nächsten Etappe machen, da uns unser
Pakistan-Visum im Nacken sitzt. Entweder nach Südwesten zu den Sehenswürdigkeiten Rajasthans und
in die Wüste oder nach Nordwesten in die Berge, obwohl wir wohl nicht nach Leh kommen werden,
zu früh im Jahr, die Pässe sind noch gesperrt!
Da der Wetterbericht für Dehli bis zu 47° C in Aussicht stellt und uns beiden die Hitze und vor allem
die Menschenmengen in der Ebene ziemlich auf die Nerven gehen, ist die Reiserichtung bald klar.
Am nächsten Morgen sehen wir den Grund für die Mauer. Sie dient der Abstützung einer Erdrampe die der
Hotelbesitzer hat aufschütten lassen, damit wir problemlos auf die Straße kommen. Sagenhaft! Vielen Dank!
In Agra sehen wir die erste Ampel seit Thailand: Reine Stromverschwendung, da keiner sie beachtet!!
Und noch etwas Nettes haben sie sich hier ausgedacht: In unmittelbarer Nähe des Taj Mahal dürfen
nur Elektrofahrzeuge und Anwohner mit ihren Fahrzeugen passieren. Eine Maßnahme um die
Luftverschmutzung und den sauren Regen einzudämmen, Agra ist eine Industriestadt mit 1,4 Mio.
Einwohnern. Aber Glaube versetzt ja bekanntlich Berge, wahrscheinlich lenkt er auch Wolken um.
Wir suchen lange in der Stadt herum - mit den Schildern haben sie es auch hier nicht so - und
kommen natürlich genau an diese Straßensperre. Uns trennen ca. 500 m Luftlinie von unserem angepeilten
Guesthouse, aber die Polizisten lassen sich nicht erweichen. Wir müssen zurück und von der anderen
Seite anfahren. Ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen: in indischen Städten durch enge und
verstopfte Gassen „nach Kompass“ zu fahren.
Das erste Guesthouse hat keine Unterstellmöglichkeit für die Ente, im Zweiten wird rangiert, gerückt
und geräumt bis wir auf den Hof passen. Wir bekommen das letzte freie Zimmer unter der Dachterrasse
und ohne Klimaanlage. Annette geht es nicht gut und die Hitze belastet sie zusätzlich. Im Zimmer
steht die Luft trotz Deckenventilator. Der Ausblick von der Dachterrasse auf das Taj Mahal hat was,
leider ist es dunstig. Von anderen Reisenden erfahren wir, dass die Tore erst um 8°° Uhr geöffnet
werden, nicht wie im Reiseführer beschrieben um 6°° Uhr. Man sollte früh da sein, denn gegen 10°°
kommen die Touristenbusse aus Dehli.
Der Eintritt ist für Touristen gesalzen: 750 Rupien pro Person (unser Zimmer kostet 600 Rps.),
Inder zahlen 20 Rupien. Darin enthalten sind das Rote Fort und zwei weitere Sehenswürdigkeiten.
Alles darf aber nur einmal betreten werden und nur an einem Tag. Macht nicht wirklich Sinn und
freut die Hotelbetreiber in Agra bestimmt nicht besonders. Über Kontrollen am Eingang hatten wir
gelesen, aber dass es Leibesvisitationen sind, bei der mein Taschenmesser beanstandet wird, das
dann zusammen mit Annettes Mandarinen! in die Aufbewahrung wandert, finden wir etwas übertrieben.
Man hat ja viel davon und darüber gehört, teils verzückte Schwärmerei. Ich finde das Taj Mahal
aufgrund seiner Symmetrie eher langweilig, ist halt Geschmackssache. Annette gefällt es, vor
allem die Einlegearbeiten, aber mir hat der Petersdom in Rom noch besser gefallen.
Annette geht es gesundheitlich leider nicht besser, so brechen wir das Ganze nach knapp 2 Stunden ab
und sie verschwindet wieder im Bett. Wir passen so gründlich beim Essen auf, benutzen selbst zum
Zähneputzen Mineralwasser. Mein Urin ist dunkelbraun, erst dachte ich, ich würde Blut pinkeln.
Offensichtlich kämpft auch mein Körper mit irgendetwas. Noch geht es mir aber gut.
Am nächsten Morgen quält sich Annette hoch, aber wir wollen endlich ins Kühle. Über Bareilly
fahren wir nach Nainital in die Berge, endlich ist es kühler. Leider haben wohl auch ganz viele
indische Touristen so wie wir gedacht. Der Ort ist ziemlich überlaufen. Wir organisieren Geld und
fahren weiter nach Ranikhet. Hier ist nichts los, wir bekommen eine „Suite“ mit zwei Zimmern für
ganz kleines Geld. Der Besitzer räumt sein Auto aus der Garage und die Ente wird weggeschlossen.
Prima. Das Guesthouse liegt außerhalb des Ortes und wir genießen die Ruhe und den Frieden.
Abends brauchen wir sogar wieder einen Pullover, wunderbar. Wir bleiben ein paar Tage und
Annette erholt sich. Mein Urin ändert seine Farbe nicht.
Als nächstes wollen wir einen Abstecher nach Auli machen. Nach unserer Karte sind es nur ca. 160 km,
sollte ein gemütlicher Tag werden. Als wir die Strecke unter die Räder nehmen, verstehen wir
schnell warum die “Australier“ zwei Tage gebraucht haben. Für die ersten 110 km brauchen wir
fast 8 Stunden!! In Gauchar finden wir ein Zimmer - Hotel Colonel's Cottage (250,- Rps.). Hierhin
scheinen sich nur sehr selten westliche Touristen zu verirren. Beim Gang durch die Stadt auf der
Suche nach einem Restaurant werden wir angestarrt als kämen wir vom Mars.
Es ist eigentlich immer etwas schwierig den Leuten klar zu machen, dass Annette ein absolut
nicht scharfes Essen braucht. Heute Abend esse ich zweimal ihr Essen, bis der „Koch“ es
im dritten Anlauf schafft die Gewürze weg zu lassen.
Am nächsten morgen entscheiden wir, das Auli ausfällt und wir lieber direkt in die indische
Yoga Metropole Rishikesh fahren. Die Fahrerei macht hier wieder Spaß auch wenn die Straßen
nicht immer das Gelbe sind. Es herrscht relativ wenig Verkehr und es sind kaum Menschen auf
der Straße. Man kann tatsächlich anhalten und sich an der Landschaft erfreuen, ohne direkt
belagert zu werden. Eine Wohltat nach der Stresserei in der Ebene.
n Rishikesh findet Annette mit dem Bhandari Swiss Cottage ein sehr gutes Guesthouse (600 Rps.).
Sauber, Balkon mit schöner Aussicht über die Stadt und den Fluss, gutes Restaurant und Internetcafe.
Leider erwischt es mich diesmal und ich schlafe fast 24 Stunden. Dann ist es besser, aber
richtig fit sind wir beide irgendwie nicht. Den nächsten Tag verbringen wir auf dem Balkon
und schauen über die Stadt ohne den geringsten Drang zu verspüren sie zu besuchen. Es sind
viele junge, westliche Touristen hier, die Yoga- und/oder Meditationskurse besuchen, wie
einst die Beatles. Hier entstand ihr weißes Album.
Direkt neben unserem Bhandari Swiss Cottage gibt es einen kleinen Laden, mit Büchern, Postkarten
und "indischen" Kleinigkeiten, die Europäer gerne kaufen. Und genau in diesem Laden gibt es „Q-TIPS“.
In Indien!! Es sind die kleinen Dinge, die das Leben angenehmer machen.
Wir umfahren Chandigarh auf kleinen Straßen, hier herrscht zwar weniger Verkehr, aber in der hügeligen
Landschaft ziehen sich die Kilometer auf den engen Sträßchen. Abends landen wir in Dharampur. Das
Guidebook preist das Visco Resorts als tolle Unterkunft an. Der Ausblick auf die umliegenden Hügel
ist auch wirklich klasse. Wir sind wieder einmal die einzigen Gäste. Abends im Restaurant lernen wir
eine neue Variante vom indischen Service kennen. Mein Essen kommt nach der üblichen halben Stunde
(es wird immer frisch zubereitet) nur Annette wartet vergebens. Auf unser Nachfragen bekommen wir
zunächst zur Antwort wir hätten ja nichts bestellt! Später kommt der „Chef“ mit der Begründung,
auf dem Markt hätte es kein Gemüse gegeben. Hallo!! Annette ist begeistert! Zum Glück haben wir
immer einen Vorrat an Obst und Gemüse dabei, so das sie ohne Hunger ins Bett kommt.
Der Weg nach Rampur führt durch das Satluj Valley. Sehr reizvoll, ein bisschen wie in Nepal.
50 km vor dem Abzweig ins Baspa Tal beginnt die Baustelle zu einem Wasserkraftwerk und die
„Straße“ ist in einem erbärmlichen Zustand:
Wasserdurchfahrten, Schlamm, Staub und viele,
viele Löcher. Speziell die Schlammpassagen sind mit den Autoreifen der Ente immer wieder
eine Herausforderung. Mit einer Enduro und Stollenreifen sicherlich deutlich einfacher zu
meistern. Wir schlingern manchmal ganz schön durch die Gegend, zum Glück herrscht nicht
viel Verkehr, so dass wir „Platz“ haben. Es geht langsam voran. Die Baustelle wird wohl
noch einige Zeit/Jahre bestehen. Nichts für Freunde sauberer Motorräder.
Nach dem Abzweig wird es nicht wirklich besser mit der „Straße“, das Guidebook beschreibt
sie als eine der haarsträubendsten in ganz Indien. Dafür wird die Aussicht spektakulärer,
sozusagen als Entschädigung. In engen Schotterserpentinen geht es in ein Hochtal, in dem
gerade der Frühling ausbricht. Es ist einfach schön!! Die Menschen wohnen in ihren
traditionellen Häusern und nicht in dem Betoneinheitsbrei wie er in den Städten der
Ebene üblich. Ein bisschen lässt Tibet grüßen, in dem ja gerade der Bär tobt. Wir
bekommen nicht viel mit, hoffen aber für die Menschen, dass die chinesische Regierung
die Nerven behält.
Wir passieren Sangla, es gibt erstaunlich viele Guesthouses. Da noch keine Saison ist, ist
es aber ruhig. Kommen hierher so viele Leute? Auf 3000 m die ersten Schneefelder. Dann
sehen wir einen Straßenfeger!! Was das soll, ist uns völlig schleierhaft. Wir grüßen
freundlich und bedanken uns für seine Tätigkeit. Freundlich wird der Gruß erwidert.
Die „Straße“ klettert bis auf 3400 m durch Bäche und über Geröll und irgendwann stehen
wir im „Neubaugebiet“ von Chitkul. Auch hier scheint man voll auf Tourismus zu setzen,
wenn das mal gut geht. Es scheint im Moment aber nur eine der Unterkünfte bereits
geöffnet zu haben.
Wir fahren auf den „Hof“ und ich palavere mit der „Mannschaft“. Da kommt ein indischer Geländewagen
mit vier Leuten. Nach kurzer Verhandlung beziehen sie ihre Zimmer im ersten Stock. Sie haben sogar
ihr eigenes Bettzeug inklusive Decken und Kopfkissen dabei. Offensichtlich haben sie wie wir
Schwierigkeiten mit der „Sauberkeit“ indischer Hotelbetten. Annette gibt mir Zeichen, mein Palaver
mal zielführend werden zu lassen. Ok. Können wir uns mal das Zimmer ansehen? Im ersten Stock gibt
es nur zwei Zimmer und die sind ja gerade belegt worden. Die Zimmer im Erdgeschoss sind feuchte
Drecklöcher... Tja, knapp zu spät ist auch zu spät. Wir sind beide nicht sonderlich begeistert,
denn jetzt müssen wir die 30 km bis Sangla noch zurück fahren. Eigentlich reicht es für heute!
Zur Entschädigung finden wir ein neues Guesthouse (Madhu Guest House, Zi. 404, 450 Rps. inkl.
Frühstück) mit einem tollen Zimmer und einer Terrasse mit einem noch tolleren Ausblick auf die
schneebedeckten Berge. Da wir die einzigen Gäste sind, können wir ungestört genießen! Ein sehr
schönes und friedliches Fleckchen Erde. Der Weg hier hinauf hat sich gelohnt, sehr schade, dass
die Zeit drängt!
Am nächsten Morgen entdeckt Annette im Vorbeifahren einen „Eisenwarenladen“. Wir brauchen Ersatz
für unser verlorenes Kistenschloss. Auch in diesem Laden ist leider, wie schon beim ersten Versuch
vor ein paar Tagen, der Bügel zu dick. Aber der freundliche Besitzer zeigt uns den Weg zu einem
anderen Laden, in dem wir es versuchen sollen. Draußen hängen Taschen und Kleidungsstücke, drinnen
öffnet der Besitzer eine Schublade mit Handyschalen und eben Vorhängeschlössern. Er rät mir
dringend kein indisches zu kaufen sondern statt dessen eines aus China zu nehmen. Die indische
Qualität sei nicht mit der chinesischen zu vergleichen (wir sind in Indien!!). Nach kurzer
Verhandlung einigen wir uns auf umgerechnet 30 € Cent und ein neues Schloss made in China
ziert unsere Kiste.
Da die nordwestliche Strecke über den Kunzum La noch nicht passierbar ist, müssen wir wieder durch
die Baustelle in Richtung Shimla fahren. Da die Ente ziemlich zugesaut ist, wollen wir ihr eine
Wäsche gönnen. In einer Werkstatt mit „Waschplatz“, schauen wir und die gesamte Belegschaft dem
„Lehrling“ zu, wie er versucht den Dreck von der Ente zu kriegen. Hatte ich in Thailand nach unserem
Kambodscha-Ausflug die Thais bremsen müssen, weil sie es zu perfekt machen wollten, breche ich hier
die Geschichte ab, da der gute Junge den Dreck nur umverteilt. Er ist zwar danach genauso nass wie
die Ente, sauber ist aber etwas anderes. Na wenigstens ist der grobe Schlamm ab. Indien!
Da man uns auf der Herfahrt im HTPDC Hotel in Rampur abgezogen hat, fahren wir zum 15 km weiter
südwestlich gelegenen River Rock Hotel - direkt an unserer Route. Das Zimmer (Nr. 201) ist prima,
sogar einen kleinen Balkon haben wir. Beim Abendessen passiert die selbe Geschichte wie ein Paar
Tage zuvor in Dharampur. Annette's Essen wird einfach vergessen. Ob da irgend etwas Grundsätzliches
dahinter steckt, vielleicht die betonte not-spicy-Bestellung?
Eigentlich wollen wir über den Jalori La (Pass, 3220 m) nach Mandi fahren, aber irgendwie finden
wir den Weg nicht. Stattdessen geht es auf einer katastrophalen „Straße“ durch ein wunderschönes
Tal, vorbei an vielen sehr ursprünglich wirkenden Dörfern, fast ohne jeglichen Verkehr. Klar auf
der „Straße“ fährt nur der, der unbedingt muss.
Über Mandi geht es vorbei Mc Lend Ganj, dem Sitz der tibetischen Exilregierung und dem Asyl-Ort des
Dalai Lama. Ursprünglich hatten wir hier Station machen wollen, trauen uns jetzt aber wegen der
angespannten Lage nicht. Wir fahren weiter in Richtung Amritsar, wieder einmal die 200 km Regel
missachtend.
In Pathankot haben sie versucht das Müllproblem in Angriff zu nehmen. Mit einer aus unserer Sicht
fragwürdigen Lösung. An der südlichen Stadtausfahrt Richtung Amritsar fährt man kilometerlang an
Müllbergen rechts und links entlang der Straße vorbei. Indien! Eigentlich wollten wir versuchen bis
Amritsar zu kommen um den Goldenen Tempel zu besuchen, aber wir haben die Rechnung ohne die
Straßenverhältnisse gemacht. Wir fahren zwar auf einem National Highway, der zweithöchsten
Straßenkategorie, aber es ist ein Alptraum. Dichter Verkehr und Löcher über Löcher. Löcher
sind hier Asphaltein- oder ausbrüche von einer Tiefe bis zu 30 cm in denen man leicht einen
Pkw versenken kann.
So versucht jeder im Slalom den Löchern auszuweichen. Interessant wird es besonders wenn der
Gegenverkehr auch gerade ausweicht, oder wenn man vor dem Überholen ein Loch weiter vorne
übersehen hat. Da die Berge hinter uns liegen kommt dazu noch die Hitze. Extrem nervend,
anstrengend und nicht ungefährlich!
Die Gegend hier scheint aber ein „Heiratsparadies“ zu sein, denn wir passieren bestimmt ein
Duzend Heiratshallen. Das sind turnhallengroße Gebäude mit Plastikstühlen und Tischen und einem
meist eben so großen gartenähnlichen Vorplatz. So eine Feier muss verdammt teuer sein, den es
finden locker mehr als 100 Leute Platz. Leider bieten sie uns keinen Übernachtungsplatz. Die
Landschaft ist von Landwirtschaft geprägt und nicht sonderlich abwechslungsreich. Es ist spät
geworden und wir haben beide eigentlich genug für heute, aber es will partout kein Hotel
kommen.
Ca. 20 km vor Amritsar passieren wir ein brandneues Heiratsressort, das auch klimatisierte
Zimmer auf dem Werbeschild anpreist. Das Teil ist riesig, aber es sind keine Gäste da! Dafür
lungern mindestens. acht sehr junge „Angestellte“ herum. Die Ente ist wieder einmal die Attraktion
und alles wird genau „begriffen“. Die Zimmer sind sauber und gefliest, endlich mal kein völlig
verdreckter Nadelfilz, nur ohne Klimaanlage. Die Preisverhandlungen sind langwierig, sieht man
uns unsere Müdigkeit an? Die Ente kommt in die Tiefgarage in die mindestens 100 Autos passen!!
Das Moskitonetz bleibt in der Kiste, bei so einem neuen Gebäude werden wir es wohl nicht
brauchen, denken wir.
Als wir die Vorhänge weiter zuziehen wollen, sehen wir, warum auf dem Werbeschild mit
klimatisierten Zimmern geworben wird. Die Aussparung dafür ist bereits im Glas vorhanden
und bietet den Plagegeistern ungehinderten Zugang. Und wir dachten, wir hätten mittlerweile
alle „Zimmercheckpunkte“ im Griff. Auf unsere Bitte, die Öffnung zu schließen, kommt ein
Angestellter mit einer Zeitung und vier kleinen !! Klebestreifen, damit die Mücken auch
bloß weiterhin freien Zugang zum Licht und der Futterstelle haben... Aber im Befestigen des
Moskitonetzes haben wir ja mittlerweile einige Übung.
Eigentlich wollten wir ja in Amritsar den Goldenen Tempel besichtigen... Aber als wir
uns am nächsten Morgen Amritsar nähern, herrschen endgültig wieder
„indische Verhältnisse“.
Verkehrschaos pur!!
Und während wir uns in den Vorstadtbezirken durch Massen von johlenden Indern im Dreck, mitten
in einer undurchdringlichen Staub- und Abgaswolke auf Schlaglochpiste in die Stadt vorkämpften,
millimeternah an anderen Fahrzeugen, Menschen und Fahrzeugen vorbei, mit schmerzender Lunge,
wieder keine Schilder, kein Hinweis, wo´s langgeht, ständig angebrüllt von Neugierigen, die uns
am liebsten mit bloßen Händen einfangen würden, kamen wir beide gleichzeitig auf denselben Gedanken:
niemand zwingt uns - WIR entscheiden!
Den Goldenen Tempel können wir uns auch im Internet oder in einem Reiseführer anschauen. Hier
suchen wir nur wieder stundenlang ein Hotel, schlafen dann im Dreck, umgeben von distanzlosen
Neugierigen und Begeisterten und zum Tempelbesuch müssen wir mit bloßen Füßen (vorher waschen!),
Kopfbedeckung und Ganzkörperbekleidung antreten. Soweit o.k., nur das gemeinschaftliche Fußpilze
tauschen in diesem Dreck behagt mir persönlich (Annette) überhaupt nicht, abgesehen davon, dass
diese "Männers" sich mit ihren religiösen Orten und Frauen ganz besonders haben... Und daran werde
ich auf der weiteren Reise noch genug "Spaß" haben. Lange Rede kurzer Sinn wir haben umgedreht und
sind straitemang spontan zwei Tage früher als geplant nach Pakistan eingereist.
Auf dem Weg zur Grenze noch einmal unvorstellbare Dreckmengen neben der Straße und in den offenen
Abwasserkanälen. Eine gute Entscheidung. Wir haben gerade keine Nerven mehr dafür.
Bei der Ausreise zeigen sich die Inder wieder von ihrer besten Seite. Super freundlich, es gibt
Gebäck und Chai. Alles völlig problemlos. Es war und ist schade um die Berg-Pässe in Ladakh, und
die Inder sind uns wirklich (fast) alle sehr sehr freundlich und offen begegnet, aber ich (Kai) glaube
wir kommen so schnell nicht wieder auf diesen Planeten.