Nepal
Nepal: Kathmandu – Chitwan-Nationalpark – Pokahara - 12. bis 23. März 2008
NAMASTEE!!!
O.k., es war spannend und hat zum Glück doch noch geklappt! Spät abends am 11.
März 2008 kam Kai mit der guten Nachricht von der Shipping Agentur zurück ins Hostel
in Bangkok: „Der Flughafen in Kathmandu hat endlich bestätigt. Die Ente kann morgen
fliegen, zusammen mit uns im selben Flugzeug!“
Für den Flug von Bangkok nach Kathmandu hatten wir uns lange die Innenansicht mit den
Sitzen des Fliegers im Internet angeschaut. Klar, die rechte Seite sollte es sein
und vor allem weg vom Flügel, wir wollen ja die Berge sehen. Leider haben wir die
Rechnung ohne die Wolken und den Dunst gemacht, Berge sehen wir keine.
Der Flughafen in Kathmandu erscheint wie in den Filmen der 50er und 60er Jahre:
Klein und überschaubar. Ausgestiegen wird über eine an das Flugzeug angeschobene
Treppe – die durften wir leider nicht fotografieren!
.
Dann wieder Geld einsammeln bei der Visa-Erteilung, alles problemlos.
Hier gibt es keine Gepäckkontrolle, Durchleuchten oder ähnliches.
Wir wissen nicht, wie viele Leute in unserem Flieger gesessen haben, aber mindestens
so viele Taxifahrer bieten ihre Dienste lautstark vor dem Gebäude an. Wir hatten mit
unserem Guesthouse Abholung vereinbart und tatsächlich hält einer ein
Schild mit unserem Namen in die Höhe.
Während der Fahrt bekommen wir einen ersten Eindruck von der Stadt und dem Verkehr.
Wir versuchen uns die Strecke zu merken – der Garmin ist leider in der Ente –
aber nachdem wir von der Ringstraße in das Gassengewirr abgebogen sind,
geben wir auf. DEN Weg finden wir alleine nie wieder! Es ist atemberaubend.
Die Gassen sind kaum breiter als das Taxi, der Verkehr findet aber in beide
Richtungen oder besser in alle Richtungen statt. Es ist alles hoffnungslos
verstopft, jeder macht, was er gerade will und trotzdem geht es irgendwie
vorwärts ... es wimmelt und hupt und schiebt... Reine Nervensache!
Unser Zimmer im Tashi Dhargey Inn im Touristenviertel Thamel hatten
wir über das Internet gebucht. „Deluxe“ für 20 US Dollar pro Nacht.
Die Bilder im Netz sahen auch wirklich gut aus. „Deluxe“ im Sinne der
Vermieter bedeutet eine uralte Klimaanlage, die man im März wirklich
nicht braucht und das Vorhandensein einer Badewanne, die man bei den
hiesigen Sauberkeitszuständen wirklich nicht benutzen will und außerdem
ein Fenster zur Sonnenseite, über das tagsüber das Zimmer
gut aufgeheizt wird.
Alles das in einem durchaus schwer in die Jahre gekommenen Hotel, in dem nicht
wirklich nachinvestiert wurde. Wir haben uns ernsthaft vergewissert, ob wir
wirklich im richtigen Hotel sind. Der Kontrast zwischen Beschreibung im Internet
und Wirklichkeit war zu groß. Nach ein paar Verhandlungen gibt es das Zimmer
dann für 12 US Dollar minus 15 % Rabatt – also ca. 6,50 Euro pro Nacht.
Das wirkliche Highlight unseres Zimmers im fünften Stock über den Dächern von
Kathmandu ist die Dachterrasse, die wir drei Abende für uns alleine haben.
Mann trinkt sein Tuborg, von der Kneipe dröhnt wirklich gute Live-Musik rauf.
Die Dieselaggregate brummen, wir schauen über die Stadt und sitzen bei Stones
und Green Day rockend in der ersten Reihe... – Klasse!
Nächster Tag: "Entenbefreiung"
Nach allem was wir gelesen hatten, sollte es eine einfache Abwicklung werden. Für uns nicht!
Der Tag fängt damit an, dass wir eineinhalb Stunden warten müssen, während etwa zehn
UN-gekennzeichnete Wagen auf den Parkplatz fahren, zwei davon mit Blumen geschmückt.
Sowohl „Westler“ als auch Nepalesen beiderlei Geschlechts in hochoffizieller Kleidung
bis hin zur dekorierten Uniformen und Bewaffnung treffen ein. Ebenso ein Kamerateam.
Zunächst vermuten wir eine Geschenkübergabe durch die UN. Statt dessen werden nach
Absolvierung einer Zeremonie unter Einspielung klassischer Musik zwei Zinksärge in
das Zollgebäude getragen. Anschließend öffnet der Zoll.
Fünfeinhalb Stunden sinnlose Herumrennerei von einem gelangweilten Beamten
zum nächsten schließen sich für uns an. Nachdem der Papierkram erledigt ist,
können die Herrschaften die Kiste mit der Ente nicht finden. Stehen tut sie
dann auf einem 80 Zentimeter hohen Wagen hinter der Zollhalle. Jetzt versuchen
sie die Kiste mit dem Gabelstapler vom Wagen zu heben. Ich bin kurz davor
meinen ersten Mord zu begehen. Wenn wir nicht dabei gewesen wären, sie hätten
die Kiste gerade vom Wagen knallen lassen. Die Kiste wird mitten in einer
Traube von Menschen abgesetzt. Genau das, was ich jetzt brauche.
In Bangkok hatte ich die Ölwanne extra mit Holzklötzen unterbaut, damit
ich den Wagenheber darunter bekomme. Leider hat der Kistenbauer die
Klötze weg gelassen! Mit ein bisschen Gestikulieren fassen viele Hände
mit an und auch das Problem ist gelöst.
Eine Dreiviertelstunde später fahren wir aus der Halle zu unserem immer noch
wartenden Taxifahrer. Eigentlich wollten wir noch zum Affentempel, aber uns
reicht es für heute. Unser Taxifahrer eskortiert uns in Richtung Guesthouse.
Im Gewühle fahre ich einem Mopedfahrer mit dem Seitenwagenrad über den linken
Fuß, was stellt er auch beide Füße breit auf die Straße. Er lacht,
offensichtlich nicht so schlimm.
Bevor wir das Guesthouse erreichen, müssen wir noch unser Spritproblem lösen.
Diane und Haydn [http://www.wanderlust04.com/], die kurz vor uns auf ihrer BMW
durch Nepal fuhren, hatten uns berichtet, dass die „Süd“-Nepalesen sich
politisch wohl nicht ausreichend vertreten fühlen („reicher“ Touristen-Norden
und armer Landwirtschaft-Süden) und zur Erreichung ihrer Ziele u.a. den
Haupthandelsweg zwischen Indien und Nepal blockieren.
Folge: für Benzin muss man zeitweilig bei der Armee Schlange stehen und die
Hindus haben kein Holz mehr um ihre Toten zu verbrennen.
Letzte Woche hatten die Autofahrer vor den Tankstellen übernachtet, heute soll es
angeblich innerhalb von ein paar Stunden gehen, hatte uns unser Taxifahrer erklärt.
Er bringt uns zum Army-Depot, davor eine beachtliche Autoschlange. Da unser
Taxifahrer jemanden dort kennt, lotst er uns ganz nach vorne. Ich stelle die
Ente mitten in den Weg und stelle mich ganz dumm. "Wo bitte bekomme ich Benzin?",
frage ich die bewaffneten Soldaten an der Absperrung. Man mustert uns, dann die Ente,
das Gitter wird zur Seite geschoben und schon stehen wir an der Zapfsäule. Sie
lassen uns sogar den Reservekanister füllen, Glück muss man haben. Bleibt für
die Nepalis zu hoffen, dass nach der Wahl im April die Grenzblockaden der
Maoisten zu Indien aufhören!
Im Tashi Dhargey Inn kommt die Ente in die Tiefgarage, ein weiterer Pluspunkt –
auch wenn diese tagsüber offen und theoretisch für jeden zugänglich ist.
Das Guesthouse liegt in Thamel, dem Touristenviertel von Kathmandu.
Sobald wir die Gassen betreten, werden wir angegangen. Kleiderläden, Schneiderein
, Internet-Cafes, Reiseagenturen, Läden und Restaurants reihen sich aneinander.
Jeder hat das beste und billigste Angebot, jeder das beste Hasch und jedes
bettelnde Kind das größte Elend. Speziell abends ähnelt das Betreten der
Gassen eher einem Spießrutenlauf. Absolut jeder Ladenbesitzer spricht uns an.
Uns ist wirklich nicht klar, woher die Mengen an Kleidung, Schmuck und
Kunsthandwerk kommen – irgendjemand muss das ja mal angekauft haben. Kunden
sehen wir nicht wirklich viele. So warten die Verkäufer auf den nächsten Tag,
vielleicht kommt ja dann ein Kunde... Wie können sie davon existieren?
Nach einem angenehmen ruhigen Abend auf der Dachterrasse ist am nächsten Tag
Sightseeing angesagt. Unser Taxifahrer vom Vortag wird uns fahren. Bei der
Fahrt durch die Stadt werden wir sehr schnell hellwach. Erinnerungen an Poipet,
den kambodschanischen Grenzort, werden wach, aber Kathmandu ist die HAUPTstadt
von Nepal. Es scheint fast jede Infrastruktur zu fehlen. Die meisten Strassen
sind desolat und zudem völlig verstopft, Trinkwasser in den Randvierteln Fehlanzeige,
das Abwasser nimmt seinen oberirdischen Lauf, der Müll bleibt überall liegen oder
wird an Ort und Stelle verbrannt und die Kinder spielen dazwischen.
Der Strom in ganz Nepal wird mehrmals täglich abgeschaltet und das zu Zeiten,
in denen die Menschen eigentlich etwas arbeiten oder produzieren wollen. Reich
ist der, der ein Stromaggregat besitzt und den Treibstoff dafür hat.
Das Dröhnen der Aggregate und das ständige Hupen der Fahrzeuge ist eine Grundmusik in Kathmandu.
Mit diesen Bildern und Geräuschen im Kopf steigen wir, nachdem wir das Eintrittsticket
gelöst haben, die Stufen zum „Affentempel“, der buddhistischen Swayambhunath Stuba, hinauf.
Was für ein mystisches Bild hatten wir von Kathmandu und diesem Tempel im Kopf
!
Die Stimmung, die hier oben herrscht, ist schon eine besondere, das Omni Mani Mantra,
das die ganze Zeit in der Luft hängt, die tiefe religiöse Andacht der Gläubigen,
das Darbringen von Opfern und das permanente Drehen der Gebetsmühlen, so oder
ähnlich hatte ich mir das auch vorgestellt. Sicherlich geprägt von schönen Fernsehbilder.
Das, was Fernsehbilder nicht zeigen, ist die gleichzeitige gnadenlose Kommerzialisierung
des Ganzen. Eine Verkaufsbude reiht sich an die nächste. Ich kann es den Menschen nicht
verübeln, sie wollen ja nur unser „Bestes“ und damit ein Stückchen vom großen Kuchen,
aber für mein Empfinden passt die Verkaufsseite hier wirklich nicht hin. Dazu kommt
die Zweiklassen-Behandlung bei den Eintrittsgeldern: Inder 30 Rps, Fremde 250 Rps.
Hallo? Ein Inder, der nach Nepal reisen kann, ist ein reicher Inder!
Wir verlassen den "Affentempel" (Swayambhunath Stuba) - Affen gibt's hier wirklich jede
Menge - und machen uns auf nach Patan (Lalitpur). Auf der Fahrt dahin zeigt uns unser
Fahrer bewusst oder unbewusst zwei sehr gegensätzliche Gesichter von Kathmandu:
Zunächst geht es durch ein ausgetrocknetes Flussbett, an dessen Rändern die Menschen
unter Pappkartons oder Plastiktüten „leben“ und sich die verwertbaren Reste des Mülls
mit den Tieren teilen.
Beobachtung einer Straßenszene: eine Obstverkäuferin wirft eine Tüte voller
schwarzer Bananen hinter ihren Stand. Zwei Kühe kümmern sich sofort darum.
Das was sie nicht aus der Tüte heraus bekommen nehmen sich anschließend zwei Kinder.
Wo bleibt das ganze Geld der Visa-Gebühren, der Eintrittsgelder und der Trekking-Permits?
Bei den Menschen auf der Straße scheint es nicht anzukommen. So etwas macht betroffen.
Dann wird aus dem Fahrweg eine gute Straße, gepflegte Häuser und Gärten. Gibt es hier
also auch – wohnen hier vielleicht die Zollbeamten?
Der Durbar Square in Patan beherbergt eine Anzahl großartiger Tempel, deren Statik aus
Holz erstellt ist. Nach dem Ticketkauf wird Annette massiv von drei jungen Männern
angegangen, sie müsse doch einen Führer nehmen. Als ihnen mit ruhigen Worten nicht
beizukommen ist und sie bei ihrer aggressiven Anspruchshaltung bleiben, wird sie
nachdrücklich deutlich und das soll schon etwas heißen.
Auch bettelnde Kinder sprechen meist sie an und nicht mich. Dafür hat Annette
eine verblüffend wirksame Strategie entwickelt: wird sie um Geld angegangen,
fängt sie an freundlich mit den Kindern zu diskutieren und gestikulieren und
fordert sie auf IHR Geld zu geben. Die Geschichten gehen meist mit staunenden
aber lächelnden Kinderaugen aus. Ich habe dafür keine Geduld.
Die Tempel weisen beeindruckende Holzschnitzereien auf. Komisch fühlen wir uns aber
doch, schließlich sind die umliegenden Häuser genauso alt und bewohnt. Wir kommen
uns ein wenig wie Zoobesucher vor. Wenn die Menschen nicht so arm wären, ihre Häuser
sind wunderschön, nur ist halt kein Geld für die Erhaltung vorhanden.
Später kauft Annette bei einem Straßenhändler Obst und Gemüse und
wir verlassen wieder einen Ort nachdenklich.
Da wir Varanasi in Indien wegen der vielen Menschen dort nicht besuchen wollen,
fahren wir am Nachmittag zum Pashnupatinath-Tempel mit seinen Gaths. Das Übliche:
Erst Tickets kaufen; Nein, wir möchten keinen Führer, nein, Bilder und Schmuck
brauchen wir auch nicht... .
ch gehe voraus um den Übergang vom „heiligen“ Wasser zum „normalen“ Wasser zu
fotografieren, da höre ich Annette schreien. Eine Junge hat ihr eine Wasserbombe
in den Rücken geworfen. Ein Vorgeschmack auf Holi, das Farbenfest. Annette hatte
sich furchtbar erschrocken, da sie gerade ebenfalls konzentriert beim Fotografieren
war und hat spontan den Jungen „gestövt“. Der ist natürlich entwischt.
Wir laufen an den Gaths vorbei – hier werden die Toten verbrannt und dann im Fluss
beigesetzt. Auch hier geht es nach Stand / „Kaste“ bzw. Wohlstand. Arme Leute werden
in der Nähe des Wehrs verbrannt, die Wohlhabenden weiter flussaufwärts. Eine Preisliste,
die uns von einem in Texas lebenden Nepali übersetzt wird, informiert über die Kosten.
Zwei Scheiterhaufen brennen und am „Reichen“-Gath kann ich die Zeremonie der Entzündung
des Scheiterhaufens beobachten. Klar, bei uns werden die Leichen auch oft verbrannt, nur
wenn man dabei steht, ist es schon ein merkwürdiges Gefühl. Ansonsten ähnelt es unseren
Beerdigungen. Die Trauernden sind um den Toten versammelt, es wird Musik gespielt, jeder
legt zum Abschied ein wenig Reisig auf den Scheiterhaufen, Fotos und Videos werden gemacht
und zum Schluss wird das Feuer entzündet.
Auf der gegenüberliegenden Seite sitzen bzw. liegen meditierende „Gurus“, die
schlagartig „erwachen“, wenn man sich ihnen nähert. Fotografieren kostet!
So viel zur meditativen Versenkung.
Auf dem Rückweg kommen bettelnde Kinder und ein Guru, dem ein Fuß fehlt, auf uns zu.
Geld geben wir grundsätzlich nicht, aber wir haben noch Mandarinen. Jeder kriegt
eine, wir essen alle gemeinsam. Der Guru mault, also gebe ich ihm eine zweite,
unsere letzte. Jetzt wird er pampig. Er will Geld, er hätte ja nur einen Fuß.
Wir gehen ein wenig ärgerlich weiter, welches Bild haben diese Leute von uns
und worauf basiert diese selbstverständliche Anspruchshaltung? Besonders bei
Menschen, die doch angeblich allem weltlichen entsagen?
Nepal hat schon seit einigen Jahrzehnten Touristen, die offensichtlich teilweise
sehr leichtfertig mit Geld um gehen. Für uns ist es sehr preiswert hier, es macht
nichts, wenn wir das „Doppelte“ ausgeben. Doch die Menschen hier lernen, Geld haben
wir in Massen, wir können jederzeit egal wie viel ausgeben und behandeln uns nach ihren
langen Erfahrungen mit Touristen jetzt ähnlich wie auf zwei Füßen wandelnde
Geldautomaten. „Du bist Tourist, verhalte dich entsprechend konsumorientiert.“
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist natürlich das Fehlen von Alternativen zum
Geldverdienen. So bieten sehr viele immer das Gleiche sehr wenigen potentiellen
Käufern an. Und diese sollen dann bitte auch kaufen, Punkt.
Die Kinder oder Frauen mit ihren Babys in Thamel sind „Profibettler“, die
davon anscheinend recht gut leben. In dieser Atmosphäre ist es für uns ein
wenig schwierig die Stadt zu genießen.
Was jetzt noch fehlt sind die Berge. Außer Dunst haben wir noch nichts gesehen.
Der nächste Tag ist dem Neu-Packen der Ente gewidmet. Wir hatten alle schweren
Sachen mit im Flieger.
Dann fahren wir endlich aus Kathmandu heraus. Das dauert zwar über eine Stunde,
denn Schilder gibt es hier nicht. Wir fahren nach Himmelsrichtung durch undurchdringliches
Gewirr von Gassen und stecken dann doch im morgendlichen Stau fest, aber anschließend
können wir anfangen zu genießen.
Unser erstes Ziel ist Daman in ca. 2500 m Höhe. Von hier aus soll man den Mount Everest
sehen können und überhaupt den schönsten Blick in ganz Nepal über den Himalaya haben.
Die kleine kurvige Straße ist in einem passablen Zustand, aber die Kurven sind so eng,
dass es die meiste Zeit nur im zweiten und dritten Gang vorwärts geht. Wir passieren viele,
viele kleine Bergdörfer, in denen das Leben noch wie „vor 100 Jahren“ abläuft. Nichts
von der Hektik und dem Lärm der Stadt.
Die Menschen versuchen hier auf unendlich vielen, mühsam angelegten Terrassen dem Land
ihren Lebensunterhalt abzuringen. Sie sind freundlich, winken, aber die Fröhlichkeit,
wie wir sie z.B. in Laos kennen gelernt haben, bemerken wir nicht. Insgesamt fällt uns
bei den Nepalesen – im Kontrast zu den Südostasiaten – ein direkteres, (auf-)
forderndes Verhalten auf.
Auch wird hier offensichtlich nichts für den Verkauf hergestellt, sondern ausschließlich
am täglichen „Reis“ gearbeitet. Alles in Handarbeit. Man sieht viele Frauen auf den
Feldern arbeiten, Lasten schleppen, Wäsche waschen und sich um die Kinder kümmern.
Die Männer „pflügen“ die Felder oder arbeiten z.B. im Straßenbau. Maschinen
scheint es hier nicht oder nur sehr wenig zu geben. Dafür gibt es den Beruf des
Splitmachers. Diese Leute sitzen am Straßenrand mit großen Felsstücken oder Flusskieseln
und bearbeiten diese mit dem Hammer so lange bis die Körnung entweder für Fundamente oder
den Straßenbau geeignet ist. Das machen Frauen und Männer gleichermaßen. Diese Steine
kommen dann in Säcken zum Löcherflicker. Der kocht auf einem großen Feuer eine schwarze
Masse, die er aus völlig verbeulten und verrosteten Fässern holt. Ist das Ganze flüssig,
kommt es in die Schlaglöcher, Split dazu und dann wird es mit dem Holzstampfer glatt
geklopft. Damit sind der Splitmacher, der Splitverpacker, der Splittransporteur, der
Teerkocher, der Feuermacher, der Teertransporteur, der Teerverteiler, der Spliteinstreuer
und der Glattmacher an der Beseitigung eines Schlagloches beteiligt.
Maschinen wären hier Lebensunterhaltsvernichtung im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schreiner
stellen ihre Bretter oder Balken aus ganzen Stämmen ohne elektrische Maschinen her.
Da bekommt ein Brett wieder einen richtigen Wert. Schlosser zerteilen Flach- und Rundstähle
mit Hammer und Meißel. Hier gibt es keine „Flex“. Die einzige Vorrichtung, die überall
vorhanden ist, ist der Kompressor des Reifendienstes. Reifenpannen sind hier die Regel
nicht die Ausnahme. Könnte an der optimalen Ausnutzung des Reifenaufbaues liegen... Der Verkehr
auf der Strecke ist sehr gering, da die LKW´s diese Strecke wegen der Steigung meiden,
Privatautos gibt es kaum.
Auf der Hälfte des Weges treffen wir Chris, einen Australier, auf einer edel gemachten
alten G/S. Er ist der erste Motorradreisende, den wir seit Sylvie und Mark in Perth treffen.
Er ist über Bangladesh und Indien nach Nepal gekommen und hat noch ein volles Programm vor
sich. Im Mai will er in England sein und dann über Sibirien nach Alaska. Sein Freund ist
in Bangkok schwer erkrankt und so zieht er die Reise alleine durch. In Pokahara wollten
wir uns wieder treffen, aber leider haben wir uns dort verpasst.
Enjoy and stay safe, Chris!
Mittags erreichen wir Daman, nach 2,5 Stunden für 56 km! Das Wetter ist uns nicht hold,
es ist zwar schön kühl, aber außer Dunst und Wolken ist leider nichts zu sehen. Wir hatten
uns auf den Ausblick gefreut. Der Ort erscheint uns auch nicht so einladend, dass wir
den Nachmittag hier verbringen, geschweige denn hier nächtigen wollen. Es sieht so aus
als müssten wir die Ente unten stehen lassen und das Gepäck sehr sehr viele Stufen
zum empfohlenen Hotel hoch tragen.
Also fahren wir weiter Richtung Süden und übernachten in Hatauda im Motel Avokado.
Schöner Garten zum Essen, guter Stellplatz für die Ente, guter Moskitoschutz, das
Zimmer... seht selbst. 350 nepalesische Rupien, das sind ca. 3,40 Euro.
Am nächsten Morgen auf dem Weg ins Tal treffen wir ein polnisches Paar auf ihrer Enfield.
Die beiden kommen aus dem heißen Süd-Indiens und frieren offensichtlich ganz ordentlich.
Später am Tag erreichen wir den Chitwan National Park. Nicht ohne ein paar Schleifen vor der
Zielgeraden gezogen zu haben. Der Park ist zwar weltberühmt, den Nepalesen aber kein Schild
wert. Der Park liegt nur ca. 200 bis 300 Meter hoch im Terai und es ist um diese Jahreszeit
schon entsprechend heiß. Der Empfehlung von Diane & Haydn folgend suchen wir das River
View Hotel und buchen nach zähen Verhandlungen ein Zwei-Tages-Paket für ca. 110,- US Dollar.
Annette steht der ganzen Sache eher skeptisch gegenüber: Bushwalk, Elefantenreiten, Volkstanz???
Vielleicht liegt es auch an der Art, wie man hier verhandeln muss. Handeln tun wir ja seit
Malaysia. Hier in Nepal haben wir jedoch das Gefühl, dass wir dankbar sein sollten, so wenig
zu bezahlen, obwohl wir doch so viel Geld haben.
Apropos handeln. Wir brauchen Bargeld. Im Ort gibt es aber keine Bank sondern
nur Geldwechsler, die – so hatten wir gelesen – vernünftige Kurse machen. Also
ziehe ich los zum Money-Changer. Beim Ersten ist der Laden auf, aber niemand da.
Ok, ich setze mich vor die Tür und warte und schaue mich um. Nichts passiert,
aber ich entdecke eine zweite Wechselstube. Diese will aber nur unsere Dollars,
nicht aber die Reiseschecks tauschen. Mittlerweile regt sich etwas im ersten
Laden. Ok, Traveller Cheques, welcher Kurs: 62 Rupien. „Aber in Kathmandu gibt
es 64 Rupien!“ „Ja, in Kathmandu, aber nicht hier.“ Ich schlage 63 vor und ernte
nur ein böses „NO“. Ok, ich ziehe ab. Beim Öffnen der Tür sehe ich eine weitere
Wechselbude. Mir steht eine nette junge Frau gegenüber. Traveller Cheques, welcher
Kurs: 62 Rupien, aber ... Vielleicht 63? 62,5 kommt als Antwort. No, 63. Bei 62,85
werden wir uns einig. Umgerechnet habe ich nur eine Flasche Bier gewonnen, aber
die trinke ICH und nicht dieser Handelsresistente von vorhin!
Mit diesem kleinen Sieg im Bauch starten wir in einem Jeep zum Elefantencamp.
Am Fluss setzen wir mit einem Einbaum über, ganz schön wackelig! Elefanten hatten
wir zwar schon in Thailand und Laos gesehen, beeindrucken tun sich uns aber immer
wieder. Eine Kuh hat ein 14 Tage altes Junges, erstaunlich, wie groß Babys sein
können. Die Hin- und Rückfahrt geht durch ein Dorf, also im Prinzip durch das
Wohnzimmer der Leute und das jeden Tag. Was diese Leute wohl von uns denken, denn
von unserem Geld kommt bei ihnen sicherlich nur wenig an.
Abends geht es mit gemischten Gefühlen in die Dorfhalle, Volkstanz. Unsere
anfängliche Skepsis weicht sehr schnell und wir sind begeistert. Die Jungs
sind klasse und sie ernten reichlich Beifall. Die Darbietungen sind einerseits
Tänze, andererseits kombinieren sie Angriffs- und Abwehrstrategien mit dem
Schlagstock. Entsprechend energisch geht es auf der Bühne zu.
Ohne es wirklich zu verstehen, scheint auch Satire ein Rolle zu spielen. Leider
nimmt der Abend ein merkwürdiges Ende. Auf dem Höhepunkt der Darbietung – das
Publikum ist mittlerweile mit einbezogen - gehen die Türen auf und unsere
„Chauffeure“ drängen uns zum Aufbruch. Die meisten Besucher verlassen den Saal.
Wir und ein paar andere sehen das nicht ein, Die Stimmung ist so gut, dass
Zugaben angesagt wären. Stehend klatschen wir Beifall. Die Akteure auf der
Bühne schauen resigniert verärgert und brechen leider ab. Wir klatschen zwar
standhaft auffordernd weiter, aber es folgt kein Programm mehr, obwohl die
Darsteller auf der Bühne bleiben. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass
die Darsteller zum Ende hin etwas ausdrücken wollen, das den „Geschäftemachern“
nicht recht ist und sie deshalb die Touries nach der „normalen“ Vorstellung
einfach rauslotsen. Schade, kein Durchblick.
Am nächsten Morgen fahren wir im Einbaum den Fluss hinunter. Wie selbstverständlich
liegt am Ufer ein Croc. Diese Art wird nur maximal sieben Meter lang und ist nicht
gefährlich. Viele wunderschöne Wasservögel, sanfte Mini-Stromschnellen.
Nach einer ganzen Weile gehen wir an Land und unsere beiden Führer schauen sich sehr
genau um. Wir haben Glück, zwei Rhinos trotten durch den Busch in Richtung Fluss.
Was für ein Gefühl, diese ungewöhnlichen Tieren in freier Natur zu sehen! Leider war
das schon die Großtierausbeute. Dafür haben wir viele Blüten, Schmetterlinge, Käfer
und Vögel gesehen. Man hat uns Baumarten erklärt und sehr positiv Werbung für das
Projekt des Nationalparks gemacht.
Am Ende des Walks beobachten wir am Fluss das Elefantenbaden. Es ist mir nicht klar
geworden, wer mehr Spaß hatte, die Dickhäuter oder die Zuschauer.
Am Nachmittag Elefantenausritt. Annette ist das gar nicht recht, sie macht aber
trotzdem mit. Wir sitzen jeweils zu viert in einem engen Holzgestell auf dem Rücken
eines Jumbos. Bequem ist etwas völlig anderes! Es schaukelt und wackelt, aber es ist
faszinierend wie behutsam sich diese großen Tiere bewegen.
Dann geht es in den Busch. Auf einer Lichtung drei Rhinos mit ihren Jungen. Wir
sind vielleicht 10 Meter entfernt. Extraklasse! Kurz darauf sehen wir Hirsche und zwei
Pfauen. Weiter geht es an den Fluss. Wieder Krokodile! Diesmal die kürzeren,
potentiell gefährlichen, aber sie sind schläfrig und weit genug weg.
Dann geht es die Böschung hinunter durch den Fluss und am anderen Ufer wieder steil
hinauf. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl auf so einem Tier, schaukel, wackel, rumpel.
Später liefert unser „Fahrer“ uns noch eine Querfeldein-Einlage, auch das beeindruckt
unseren Dickhäuter nicht. Im Gegenteil, er versucht sogar Äste, die uns stören könnten,
abzuknicken. Klar, antrainiert, aber trotzdem bemerkenswert. Die zweieinhalb Stunden
sind viel zu schnell vorbei. Wirklich empfehlenswert!!! Bequemer wird`s mit nur zwei
Personen pro Elefant. Annette: Für den Elefanten bestimmt auch!!!
Als wir am nächsten Morgen auf die Hauptroute in Richtung Kathmandu abbiegen, hat der
Verkehr uns wieder. Wir kämpfen mit vielen LKW`s und Baustellen. Aber die Fahrt
geht durch ein schönes Tal mit vielen schönen Ausblicken. Nach dem Abzweig nach
Pokahara wird dann wieder ruhiger.
Wir finden ein recht teures, aber neues und sauberes Zimmer im Green Peace Resort.
Weg vom Touristenrummel. Der Hit: eigene Terrasse mit Blick auf den See, mehr
braucht man nicht! Zu unseren Füssen arbeiten die Leute auf ihren Feldern und
waschen sich in den Bachläufen... So betrachtet, fühlen wir uns deplatziert
wie Voyeure.
Am See erinnern wir uns an ein Kinderheim, dass hier irgendwo stehen muss. Junge
Deutsche in Kathmandu hatten uns davon berichtet. Sie haben von Deutschland aus
einen älteren Laster voller Kleider überführt, die für dieses Kinderheim gesammelt
wurden. Nur – das Kinderheim schlug die Hände über dem Kopf zusammen und wollte
die Sachen überhaupt nicht. Sie haben viel zu viel davon, da sie als „Bedürftige“
in Europa bekannt sind und immer wieder Ladungen erhalten. Auch wollten sich
keine Zeit nehmen, die Sachen weiter an die Leute in der Umgebung zu verteilen.
Ein anderes Kinderheim, dass wir in der Nähe des Chitwan Nationalparkes gesehen
hatten, hätte sich wahrscheinlich gefreut!
Leider sind die Berge wieder in Wolken gehüllt. Pokahara ist wesentlich kleiner als
Kathmandu. Entsprechend harmloser geht es auf den Straßen zu. In einem relativ großen
Supermarkt treffen wir einen älteren Herrn aus Deutschland, der sich eine Wohnung
am See gemietet hat und von einer Haushälterin betreut wird. Er genießt das Wohnen
direkt am Wasser, dass er sich so mit seiner kleinen Rente leisten kann.
Auf dem Campingplatz treffen wir ein Schweizer Paar mit ihrem Sohnemann.
Sie sind mit ihrem WoMo über Land gekommen und erzählen uns ebenfalls „nette“
Geschichten über Indien. Am gemeinsamen Abend gibt es Pizza beim „Italiener“
(Mamma mia), nicht stilecht, aber wirklich gut. Am nächsten Morgen stehe ich
sehr früh auf und fahre auf einen nahen 1500 Meter hohen Aussichtspunkt. Mein
erster 8000er! Zwar nur kurz, denn die Wolken kommen früh aus den Tälern, aber
selbst aus der Ferne verflucht hoch. Am nächsten Morgen meinen die Wolken es
besser mit uns. Mit diesem herrlichen Anblick im Gedächtnis brechen wir
nach Tansen auf.
Von hier soll man einen tollen 360 Grad-Blick haben und das Hotel Srinagar soll
auch gut sein. Die Straße ist in einem für Nepal-Verhältnisse wirklich guten
Zustand. Andere Reisende hatten noch vor einem Jahr im Internet vor dem
Straßenzustand gewarnt. Tansen wird im Guidebook als nettes Städtchen
beschrieben, wir finden den Zustand eher bemerkenswert. Das Hotel war sicher
einmal – vor 30 Jahren? – ein sehr gutes. Die Preisvorstellungen passen dann
auch aus unserer Sicht nicht wirklich zu dem Gebotenem. Nach zähen
Verhandlungen gewährt man uns 33 % Nachlass, immer noch zu teuer, aber
vielleicht sehen wir ja von hier aus morgen früh die Berge.
Nachmittags laufen wir ein wenig durch den Ort. Es ist schwer zu beschreiben,
was wir denken, vielleicht fassen unsere westlich geprägten Vorstellungen nicht,
dass man auch so leben kann. Es ist für mich weniger die Armut, als vielmehr die
Gelassenheit des Hinnehmens dieses Zustandes, was mich so irritiert. Man sitzt in
oder vor seinem Laden im Dreck und wartet. Worauf? Dieses Phänomen wird uns noch
in weiteren Ländern begegnen. Anders als in Deutschland scheinen die Menschen aber
nicht unzufrieden zu sein. Es wird gelacht, man winkt uns zu,
alles ganz ruhig und friedlich.
Das einzige Indiz, dass für eine Unzufriedenheit spricht ist die massive Werbung
für die maoistische Partei im ganzen Land. Im Süden weht auf fast jedem Haus eine
entsprechende Fahne. Ob das einem Land hilft, das zu 30 % vom Tourismus lebt,
der gleichzeitig die Natur gnadenlos mit Plastikmüll zusaut? – Wir haben diesen
Plastikmüll auf Halden offen schwelen sehen und vor allem gerochen. Auf der anderen
Seite holzen die Nepalis ihre Wälder ab um Baumaterial und Feuerholz zu bekommen,
so dass weite Teile nur noch aus braunen Bergen bestehen, mit den entsprechenden
Erdrutschen im Frühjahr. Aber das sehen ja die meisten Trekkingtouristen nicht,
die mal eben mit dem Flieger eingeschneit kommen und mit geführten Touren
karawanenartig durch die Berge ziehen.
Am nächsten Morgen haben wir natürlich wieder bewölkten Himmel und so machen
wir uns auf den Weg zur Grenze. Vorher noch schnell im Ortskern einkaufen und
Post einwerfen. Wir sind sofort von einer Traube Menschen umringt und darunter
ist ein Nepalese, der uns auf deutsch (!) „Fröhliche Ostern“ wünscht. Das hatten
wir noch gar nicht mitbekommen... Und der nette Gemüsehändler stimmt gerne
einem Foto zu.
Einige zig Kilometer weiter ist die Ausreise recht schnell und unproblematisch
und so stehen wir dann bei Sunauli vor den Toren Indiens.