Türkei
Türkei 15.05.2008 – 28.05.2008
Aus dem Iran kommend: Dogubayazit, Van-See, Tatvan - Mt. Nemrut, Midyat, Nemrut Dagi
Milli Parki, Göreme Nationalpark in Kappadokien, Afyon, Izmir, Çesme; mit dem Schiff nach Italien
Nach einer Stunde Wartezeit vor dem Metallrolltor "in die Türkei" werden wir eingelassen
und in eine Ecke dirigiert, wo wir die Transitabfertigung nicht stören.
Die Passkontrolle verläuft problemlos, jetzt müssen wir nur noch durch den Zoll. Alle
Transitfahrer, die wir dort beobachten konnten, mussten alles, aber wirklich alles, aus
ihren Fahrzeugen räumen: Fliesen, Melonen, Zigaretten usw.. Die Fahrer schleppen es
mühsam vor ein Fenster des Zollgebäudes. Ich stehe mittlerweile im Zimmer diese
Zollgebäudes und schaue zu, wie alle diese Sachen in Säcke verstaut werden. Die
bekommen dann eine Nummer und werden irgendwo hingebracht. Es herrscht eine
fürchterliche Hektik. Da mitten rein kommt ein „kleiner Scheißer“ wie ich
wahrscheinlich gerade richtig.
Am ersten Schreibtisch werden meine Papiere und die Fahrzeugpapiere genauestens
studiert, um mir dann mitzuteilen, ich müsse draußen am Zollcontainer erfasst werden.
Am Container sind Trauben von Lkw-Fahrern, die ihr Carnet für die Ausreise stempeln
lassen wollen. Immerhin ist ein (!) Schalter geöffnet. Ein Polizist erbarmt sich meiner
und bringt mich in den Container. Die junge Frau am Computer tut mir leid, ohne Pause
werden durch das Fensterchen neue Carnets gereicht. Sie muss alle Daten in die Maschine
hacken. Wozu? Dafür hat man doch u.a.das Carnet. Irgendwann schiebt sie mich dazwischen
und versucht unser Kennzeichen in die Maschine einzugeben. Fehlermeldung! Sie probiert
es einige Male, bis sie entnervt aufgibt.
Das Programm akzeptiert unser Kennzeichen nicht.
Ich werde zurück in das „Fenster-Zimmer“ geschickt. Hier residiert auch der Chef des
Zolls. Er versucht sich ebenfalls an der Eingabe unserer Daten. Auch er kommt nur bis
zum Kennzeichen – Fehlermeldung. Er probiert und probiert, kein Erfolg. Nach drei Stunden
ist unsere Geduld am Ende, unser Ton wird deutlich gereizter und auch deutlich lauter.
Annette schlägt dem Zoll- Chef vor, das Kennzeichen später in den Computer einzugeben und
uns ziehen zu lassen. Was der natürlich ablehnt. Jetzt werden wir zur „Endkontrolle“ am
Ausgang geschickt. Da beginnt das Spiel von vorne. Kennzeichen – Fehlermeldung! Mann es
reicht! Wieder zurück zum Zollgebäude. Man will mit Ankara telefonieren, um das Problem
zu lösen. Dabei ist es mittlerweile nach 17°° Uhr - an einem Freitag! Jetzt werde ich wohl
wirklich laut: ... Selbst der Polizeichef kommt und versucht mich zu beruhigen. Es könne
ja nicht mehr lange dauern. Wir sollen doch einen Tee mit ihm trinken. Wir wollen keinen
Tee, wir wollen hier weg!! Wir müssen noch bis zum nächsten Ort, eine Unterkunft suchen
und auf jeden Fall nicht im Dunklen fahren. Kurz nach 18°° Uhr kommt die junge Frau aus
dem Zollcontainer und gibt uns unsere Pässe, wir könnten jetzt fahren. Nach knapp 5 Stunden
plus 1 Stunde Wartezeit „draußen vor dem Tor“ sind wir endlich in die Türkei eingereist!
Unser persönlicher Grenzrekord auf dieser Reise.
Zwei Dinge fallen uns hier im äußersten Osten der Türkei während der ersten Meter auf: der
Straßenzustand ist deutlich schlechter als im Iran und die Militärpräsenz ist massiv.
Der Himmel ist zunehmend bewölkt und es ist kühl als wir in Dogubayazit ankommen. Die
Ortszufahrt war eine Schlaglochstraße, hier im Ort Kopfsteinpflaster. Erster Eindruck:
nicht besonders einladend. Wir organisieren am ATM Geld. Wer einmal ohne diese Maschinen
unterwegs war, weiß ihren praktischen Wert um so mehr zu schätzen. Annette geht alleine
einkaufen, hier gibt es zu viele „interessierte“ Kinder. Dann machen wir uns auf zum
Campingplatz. Darauf freue ich mich schon seit Monaten, kein Hotelzimmer mehr!
Wir folgen dem Schild Ishak Pasa Palace, es geht vorbei an einer großen Kaserne leicht
den Hügel hinauf. Außer uns scheint momentan niemand auf dem Lale Zar Camping zu sein.
Herzlicher Empfang! Eine türkische Familie sitzt an einem der überdachten Tische und
grillt! Kaum steht unser Zelt und wir sitzen an „unserem“ Tisch kommen sie mit einem
großen Teller gegrilltem Fleisch und Peperoni herüber. Das sind Situationen, die wir
immer nur schwierig meistern. Einerseits sind wir von der Gastfreundschaft begeistert,
andererseits sind wir immer in Erklärungsnotstand. Wir wollen die Menschen ja nicht
kränken, aber wir essen nun mal kein Fleisch. Diesmal scheint die Sache aber einfach
zu funktionieren, sie akzeptieren ohne große Proteste und die Peperoni nehme ich
ja gerne an.
Es wird windiger und kühler, später beginnt es zu regnen. Regen, was ist das? Den letzten
hatten wir in Kambodscha. Wir verkrümeln uns ins „Partyzelt“ des Platzes. Kühles Bier!
Leute, das tut gut! Das Wetter ändert sich nicht, der Ararat liegt am nächsten Tag unter
dichten Wolken. Wir ruhen uns aus und „lecken“ unsere Wunden, wir sind müde! Der Platz
wird von einem Kurden mit seiner Familie und einem Dänen betrieben. Sie geben sich
wirklich Mühe es angenehm zu gestalten. Sie leiden natürlich unter dem „gefährlichen“
Ruf der Osttürkei und den Einsätzen des Militärs gegen die PKK.
Nachmittags kommen zwei polnische Familien auf dem Platz an, sie wollen einen Film
über die kurdische Kultur drehen und den Ararat besteigen. Ich freue mich immer Leute
aus dem „Osten“ zu treffen, sie haben oft eine andere Sicht der Dinge. Diese hier
ärgern sich fürchterlich über die „Unterdrückung“ der kurdischen Kultur in der Türkei,
immerhin ist jeder 4-te oder 5-te Einwohner der Türkei Kurde. Ihre Sprache, ihre Musik
ja selbst die kurdische Namensgebung der Kinder sind in der Türkei verboten! Deshalb
wohl auch ihr Filmprojekt.
Abends bekommen wir dann einen kleinen Einblick in die kurdische Musik. Der kurdische
Besitzer und seine Kinder geben ein kleines Konzert für uns. Wie schon in Nepal gefällt
mir die Darbietung, sie erscheint mir ehrlich und passt gut zu der rauen Landschaft
und den einfachen Lebensverhältnissen der Leute auf dem Land. Für unsere Künstler
spielt sicher der Werbeeffekt auch eine Rolle, aber es macht ihnen sichtlich Spaß.
Am nächsten Tag gehen wir in die Stadt, wir wollen versuchen uns mit den „Australiern“
Diane und Haydn zu verabreden. Das Internet Cafe ist gut besucht, alles Männer, und die
Bilder auf den Bildschirmen haben irgendwie wenig mit Informationsbeschaffung zu
tun – arme Kerls!
Manchmal gibt es schöne Zufälle. Als Annette die Mail an Haydn abschickt, kommt die Antwort
prompt. Sie haben in ihrem Hotelzimmer WiFi und sind natürlich online. Sie haben Dogubayazit
heute Morgen verlassen nachdem sie eine Woche auf einen Reifen und eine neue Batterie für
Jack, ihr Motorrad, gewartet haben. Knapp daneben ist auch vorbei...
Aber wir verabreden uns sofort für den nächsten Tag auf einem Campingplatz am Van See.
Auf dem Rückweg hält ein VW Bus neben uns und der Fahrer „fragt“, ob wir nicht mitfahren wollen.
Da Regen einsetzt, nehmen wir gerne an. Danke, sehr nett!
Auf dem Camping Platz trinkt eine Gruppe „türkischer“ Studenten im „Partyzelt“ Tee.
Wir setzen uns dazu. Einige von ihnen beginnen zu musizieren und zu singen. Die Polen
filmen. Es wird getanzt, die Stimmung ist ausgelassen.
Einige versuchen Kontakt mit uns auf zunehmen. Leider ist eine Unterhaltung kaum möglich,
da sie kaum ein Wort Englisch sprechen – dabei sind es Studenten! Auf Annettes Frage ob
sie nicht englisch lernen würden, verneinen sie, offensichtlich haben sie daran überhaupt
kein Interesse. Wir sind „sprachlos“. Die Türkei will in die EU und diese jungen Leute
wollen alle Lehrer werden. Offensichtlich gehen ihre und unsere Vorstellungen von
„Völkerverständigung“ doch weit auseinander. Wie oft haben wir uns auf der Reise
geärgert, nicht noch besser Englisch sprechen zu können. Wir wissen nicht, wie sie
sich einen Meinungsaustausch vorgestellt haben, den sie ja offensichtlich anstreben.
Am nächsten Morgen geht es über die Berge, viel Vulkanerde, es regnet und es ist sch.. kalt.
Wir passieren eine Straßensperre und sehen immer wieder Militäreinrichtungen in der ansonsten
sehr schönen Landschaft. Je mehr wir uns Van nähern um so besser wird das Wetter. Am
Treffpunkt Campingplatz Akdamar gegenüber dem Fähranleger zur Insel Akdamar fahren wir
zunächst unbedarft vorbei. Wir erkennen in nicht als solchen. Es ist 15°° Uhr und es herrscht
ein riesen Ausflugstrubel. Wir fahren suchend weiter, finden aber keinen Campingplatz.
Das Ausflugslokal muss unser Treffpunkt sein. Der Camping Platz ist dann auch nur ein
schmaler Grasstreifen oberhalb des Lokals, dafür kostet er aber auch nichts. Prima.
Diane und Haydn kommen etwa eine Stunde später. Es gibt ein herzliches Hallo.
Seit Alice Springs ist gut ein halbes Jahr vergangen und es gibt viel zu erzählen. Abends
bekommen wir unser Essen vor unseren Zelten serviert, welcher Luxus! Anschließend machen
die Mädels ein Feuer gegen die Kälte und wir überlegen, wie es weitergehen könnte. Zusammen
fahren macht keinen Sinn, dafür sind die Reisegeschwindigkeiten zu unterschiedlich, solche
Sachen soll man nicht erzwingen. Einer ist dabei garantiert nach kurzer Zeit unzufrieden.
Wir verabreden als erstes Ziel den Mt. Nemrut in der Nähe von Tatvan und für den Abend
ein Hotel in Midyat.
In Tatvan werden wir von einer bayrischen Reisegruppe umlagert, die hier einen organisierten
„Abenteuerurlaub“ (O-Ton) machen. Sie können gar nicht glauben, wo wir herkommen. Wir finden
auf Anhieb den Abzweig zum Mount Nemrut - von Osten kommend am Ortsausgang ca. 150 m
in Richtung Westen.
Auf einer guten Schotterpiste schwingt sich der Weg bis auf 2650 m den Berg hinauf, ich bin
trotzdem nicht begeistert, ich habe genug von der Rappelei. Es gibt auch einen Sessellift,
momentan aber außer Betrieb. Oben ist es windig und sehr frisch. Wir passieren Schneefelder.
Wenn es wärmer wäre, wäre das hier oben sicherlich ein toller Übernachtungsplatz. Links
sieht man auf den Gebirgssee, rechts breitet sich die Landschaft mit dem Van See aus.
Es wird ein angenehmer Fahrtag. Einmal passieren wir eine Art Tropfsteinhöhle ohne Höhle.
Wasser fällt einen Berg hinab und bildet am Fuß bizarre Formen. In den Städten fällt uns
der Bauboom auf. Überall sprießen hässliche halbhohe Hochhäuser in rauen Mengen aus dem
Boden. Diese Art der Häuser scheint uns so gar nicht zu Kurden/Türken zu passen. Außerdem:
Wer soll das alles bewohnen? Wollen sie die gesamte Landbevölkerung in die Städte holen?
Hinter Batman fährt man ein Stück durch die wunderschöne Flusslandschaft des Tigris. Im
Moment hat er bloß sehr wenig Wasser. Wir überqueren den Fluss bei Hasankeyf, wo es
Höhlenwohnungen gibt, die teilweise immer noch bewohnt werden. Und wir passieren einen
sehr einfachen Campingplatz. Das ist das Problem an „Gruppenreisen“. Bei diesem schönen
Wetter wären wir gerne hier draußen am Fluss geblieben, aber wir sind ja verabredet.
Warten macht auch nicht unbedingt Sinn, da wir nicht wissen, welche Route die beiden
zum Zielpunkt fahren. Also fahren wir weiter in die Stadt.
Als wir dort nach dem Weg fragen haben wir Glück. Der Brotauslieferer bedeutet uns zu
warten, bis er ausgeladen hat und bringt uns dann bis vors Hotel Demirdag. Easy! Danke!
Es ist schon 18°° Uhr als wir die Halle betreten. Nach einigen Verhandlungen bekommen wir
zwei ordentliche Doppelzimmer zum stolzen Preis von 35 € pro Zimmer. Wir sind ein wenig
hin und her gerissen, wissen wir doch nicht, ob die beiden bereit sind solch einen Preis
zu bezahlen. Gruppenreisen! Um 19°° tauchen Diane und Haydn endlich auf.
Sie beißen die Zähne zusammen!
Später gibt es in einem großen Restaurant schlechtes Essen! Anschließend fragen wir nach
einem Bierladen und werden in einem Wettbüro fündig. Auf dem Weg zurück zum Hotel
kommen wir an einer „Eisdiele“ vorbei. Man räumt uns Stühle nach draußen. Die Mädels
verdrücken ihr Eis, Haydn und ich lassen uns unser Bier schmecken. Darüber zerreißen
sie sich wahrscheinlich heute noch das Maul. Die Verrückten, die in der Osttürkei
öffentlich Bier trinken! Im Hotel werden wir gebeten in die hinterste Ecke des
Speisesaals zu gehen, damit keiner unser Bier sieht.
Unser nächstes Ziel ist der Nemrut Dagi Milli National Park. Da die Verbindung
über den Euphrat nicht passierbar ist, wählen wir die südliche Route, parallel
zur syrischen Grenze. Wir verabreden uns 30 km östlich von Sanliurfa. Die
Strecke ist eintönig und langweilig. Da wir keine Lust haben in die Stadt
zu fahren, aber auch um Geld zu sparen, macht Haydn den Vorschlag an einer
großen Tankstelle nach einem Übernachtungsplatz zu fragen. Der Restaurantbesitzer
ist sehr freundlich und so schlagen wir unsere Zelte auf dem winzigen Rasen des
Terrassenbereichs hinter dem Restaurant auf. Der Rasen könnte auf einem
Campingplatz nicht besser sein, eher im Gegenteil. Übernachtung zum Nulltarif.
Dafür bestellen wir natürlich Abendessen und Frühstück im Restaurant!
Der „Campingplatz“ vor der Zahlstelle des Nationalparkes kostet dann Geld und ist
nicht wirklich besser. Den Zeltplatz sucht man sich selbst wo auch immer auf dem
Gelände eines Restaurants, als sanitäre Anlage sollen wir irgendein freies "Badezimmer"
der zu Vermietung stehenden Zimmer mitbenutzen...
Auf dem "Einbahn-" Weg zum Eingang des Nationalparkes versuchen sämtliche Hotel-
und Guesthousebesitzer, die uns zufällig sichten, uns in ihr Haus zu bekommen.
Offensichtlich ist es auch hier, obwohl nicht mehr ganz im Osten, ziemlich
mau mit den Besucherzahlen.
Abends fahren wir auf einer neu erstellten Straße (die im Guidebook angekündigte
schwierige Piste gibt es nicht mehr) durch unzählige Kurven auf etwa 2000 Meter.
Die letzten paar 100 Meter zum Gipfel geht es nur noch zu Fuß weiter. Der Weg
ist steinig und steil, ungewollter Abendsport. Die Aussicht ist dann aber wirklich
klasse, nur die steinernen Statuen, der eigentliche Grund hier hinauf zu steigen,
gehen nicht so wirklich an mich.
Mit uns hier oben ist auch eine deutsch-französische Reisegruppe. Seit langer Zeit
verstehen wir wieder "im vorbei gehen", was die Menschen so miteinander reden!
Nur..., wir wollen es nicht hören! Ein Phänomen, dass uns später zu Hause noch
eine ganze Weile Probleme bereiten wird...
Wir genießen die Abfahrt und es wird ein langer Abend, denn morgen werden sich
unsere Wege wieder trennen. Diane und Haydn ziehen südwärts, sie wollen nach
Syrien und Jordanien weiter. Wir fahren westwärts nach Kappadokien. Wir werden
uns hoffentlich alle bald in Deutschland wieder sehen.
Am Morgen ist Annette nicht besonders gut drauf. Sie fühlt sich schlapp, will
aber trotzdem weiter fahren. Zum ersten Mal auf der ganzen Reise bekomme ich
später richtig Angst. Warum hat sie morgens bloß nichts gesagt. Ich muss mitten
auf der Straße anhalten, weil sie sich übergeben muss, dabei kann sie kaum noch
auf den Beinen stehen und sinkt dann auch im Straßengraben zusammen. Irgendwann
rappelt sie sich wieder auf, eine Wasserleiche sieht vermutlich besser aus.
Nur sagen lässt sie sich nichts, sie hat da so ihre ganz eigene Art. An einer
Tanke stoppe ich wieder. Sie verschwindet auf dem Klo. Anschließend ist sie
so geschafft, das sie sich in den Dreck vor der Tankstelle legt und mich
freundlicherweise auch noch beschimpft; weil ich sie einfach nicht in Ruhe lasse...!
Meine Nerven sind blitze blank, ich habe Angst, dass sie „liegen bleibt“.
Nach einer unendlich langen Stunde schafft sie es bis auf ihren Sitz. Es sind
noch ca. 30 Kilometer bis Kahta, sie lässt sich natürlich nicht „anschnallen“.
So habe ich immer ein Auge auf die Straße, das andere auf sie gerichtet.
Ich fahre zwar langsam und trage die Ente um die Kurven, aber wenn sie aus
dem Seitenwagen fällt, wird die Sache nicht besser. Ich steuere das erste
Hotel an und bekomme sie kaum die Treppe zum ersten Stock nach oben - Kommagene
Pension, zwei Nächte mit Aircondition und Bad 100,- türkische Lire.
Der besorgte Hotelbesitzer fragt sofort, ob er einen Arzt rufen soll, was
meine Frau natürlich kategorisch ablehnt. Dafür reicht die Kraft irgendwie
immer! Trotz dreier Decken liegt sie im Bett und friert. Nach anderthalb
Tagen scheint der Spuk vorbei zu sein, es geht Annette besser und sie
kann auch wieder etwas essen. Vielleicht hat mich der Raki, den Haydn
und ich mit einem türkischen Paar getrunken haben, vor dieser
Magen-Darm-Sache bewahrt?
Der nächste Tag treibt uns durch eine sehr schöne und abwechslungsreiche
Landschaft bis nach Göreme - zwischen Nevsehir und Kayseri - in Kappadokien.
Wir folgen dem Tipp der Niederländer und Norweger und gehen auf den Kaya
Camping (22,- türkische Lire pro Nacht). Sie haben recht, top
gepflegter Platz - allerdings kein Grasboden - und super saubere
Sanitäranlagen. Allerdings ist er fest in Wohnmobilisten-Hand.
Wir schlagen unser Zelt unterhalb des Hauptplatzes auf, da wir dort
alleine stehen. Leider nicht lange! Zwei deutsche WoMos stellen sich
neben uns, einer ist ein echter Motorradfahrer, er hat seine KTM
hinten am WoMo, ein echtes Männermotorrad, erklärt er mir.
Es wird Zeit, das wir uns Gedanken über den „Rückweg“ machen. Annette
checkt die Fährverbindungen nach Italien. Eigentlich wollte sie sich vor
ein Paar Wochen noch unbedingt Istanbul anschauen. Mittlerweile sind wir
aber derart "überreist", dass wir beide keine Lust mehr auf Erkundungen
haben. Da sind wir einmal in der Türkei und schauen sie uns nicht an.
Ich hätte jedem widersprochen, der das prophezeit hätte!
Nach einigem für und wider entscheiden wir uns dann für die „weniger
Fahrkilometer Variante“ über Izmir mit der Fähre der Marmara Lines
nach Ancona in Italien. Leider fährt die Fähre nur einmal die Woche,
so dass wir den „Rest“ der Türkei zügig unter die Räder nehmen müssen.
Vorher machen wir noch ein gemütliches Tourchen durch die faszinierende
Landschaft des Göreme Nationalparkes (Eintritt ins Rose Cappadokia
Valley 10,- türkische Lire). Die Blumenwiesen haben es Annette besonders
angetan. Haben wir auch lange nicht mehr gesehen. Das Besondere hier
sind aber die Felsformationen und die Höhlenwohnungen. Wenn der Sprit
in der Türkei nicht so teuer wäre, wäre die Gegend hier sicher ein
lohnendes Urlaubsziel für eine „kleine“ Reise. Momentan kostet der
Liter aber fast 2 €!! Viele Türken / Kurden auf dem Land
reaktivieren wieder ihre Esels- und Pferdefuhrwerke, da sie
sich den Sprit nicht mehr leisten können.
Am Abend kommen wir - leider nur kurz - mit einem belgischen Paar ins Gespräch.
Sie wollen mit ihren Motorrädern über Georgien, Aserbaidschan, Turkmenistan
nach Usbekistan reisen. Angeblich haben sie bereits ein Rückflugticket für
beide Mopeds für 800 US Dollar (!!!) von der Lufthansa in der Tasche. Wenn das
funktioniert - eine super interessante Option für den nächsten Sommer.
Wir bleiben mit ihnen in Verbindung!
Obwohl wir am nächsten Tag drei große Seen passieren, finden wir keinen Hinweis
auf einen Camping Platz. So probieren wir hinter Afyon erneut erfolgreich
die Tankstellen-Variante. Das angegliederte Hotel hat ein großes Open Air
Restaurant in einem gepflegten kleinen Park mit Fischteich. Das Restaurant
ist an einen jungen, ehrgeizigen Türken verpachtet, der sich selbstständig
machen will. Er hat nichts dagegen, dass wir unser Zelt aufschlagen, wenn
wir abends zum Essen kommen. Leider wird die Nacht recht laut, da nachts
auch einige Lkws auf der angrenzenden Landstraße unterwegs sind.
In Izmir verfahren wir uns bei der Suche nach der Autobahn nach Çesme.
Dafür ist die Autobahn dann aber leer!!! Wozu bauen sie eine so gigantische
Straße, wenn niemand sie benutzt? In Çesme soll es laut ADAC Campingführer
einen Campingplatz geben. Nach 3 Stunden erfolgloser Sucherei, landen wir
auf dem kommunalen Campingplatz, der gratis ist! Wir benutzen zwar die
umliegenden Gebüsche und nicht die abbruchreifen oder nie fertig gestellten
verwahrlosten Sanitärenanlagen, dafür ist es herrlich ruhig mit Blick aufs Meer
. Wir beobachten „Lenkdrachen - Wasserskifahrer“ (ich weiß nicht, wie sich
diese Variante nennt) bei ihren spektakulären Sprüngen und Wendemanövern.
Unsere „Nachbarn“, zwei türkische Ehepaare, haben sich hier für den Sommer
niedergelassen. Sie laden uns zum Essen ein und leihen uns Stühle, das sei
doch bequemer als auf dem Boden zu sitzen. Sehr nett! Da die Fähre erst gegen 22°°
Uhr fährt, liegen wir den ganzen Tag rum und lassen es uns gut gehen.
Die Fährfahrt ist sehr entspannend. Blauer Himmel und glatte See, wenige Leute
auf dem Schiff und es gibt noch nicht einmal einen Fernseher an Bord. Wir
treffen ein englisches Paar, das mit einem Suzuki Roller unterwegs
ist. Leider ist ihre Kupplung defekt und in der Türkei haben sie
keinen Ersatz auftreiben können. Jetzt hoffen sie in Italien fündig
zu werden. Die Zeit vergeht schnell und so erreichen wir nach
drei Nächten und zwei Tagen auf See wieder Europa.