Australien: Tasmanien
Sechster Reisebericht: Tasmanien – 20. Okt. 2007 bis 25. Okt. 2007
Tasmanien ist der südlichste, kleinste und kühlste Staat Australiens – ca. 400 km von Melbourne
in Richtung Antarktis entfernt und per Fähre auch nur von Melbourne aus erreichbar. Die neue
Fährverbindung von Sydney aus existiert nicht mehr.
Je nach Saison, Begehrtheit der Wochentage und Frühzeitigkeit der Buchung variieren die Preise.
Wir haben fünf Tage vor Start von Canberra aus gebucht und für die Hin- und Rückreise 642 Dollar
bezahlt, der Anteil der Ente machte hin / rück je 50 Dollar aus. Fliegen ist ebenfalls möglich,
bei frühzeitiger Buchung ca. 320 Dollar für zwei Personen hin und zurück. Mietwagen bei Buchung
für mind. eine Woche pro Tag “Standard” ca. 60 Dollar. Buchungen machen Reisebüros oder das
Visitor Center in Melbourne am Bahnhof.
Der Besuch Tasmaniens ist also keine ganz preiswerte Angelegenheit, wenn man bedenkt,
dass die Wetteraussichten grundsätzlich eher weniger rosig sind und wir nur fünf Tage veranschlagt
hatten. Aber jeder, wirklich JEDER Australier hatte uns von “Tassie” vorgeschwärmt und die
Neuseeländer meinten, genauso sei Neuseeland – also nix wie hin, es gehört einfach zum
australischen Gesamtbild dazu.
Start am Samstagabend, 20. Okt. 2007
Um 18 Uhr stecken wir in langer Schlange zum Einchecken und werden von den Sicherheitskräften,
die sporadisch auch Fahrzeuge kontrollieren, nach Explosivem, Entzündbarem, Waffen etc. befragt.
Wir werden aufgefordert, weder Alkohol noch Früchte oder Gemüse mit aufs Schiff zu nehmen. Hallo?
Wir bekommen es sogar schriftlich: nach Gesetz xy dürfen Alkohol und “bedenkliche / gefährliche
Dinge” nicht mit aufs Schiff genommen werden.
Also Waffen sehen wir natürlich ein, evtl. auch noch Alkohol, aber Früchte, Gemüse? – Anmerkung:
diese stehen nicht “wörtlich” im Gesetz…
Wir wissen, dass Tasmanien strikter Quarantäne-Bereich ist und wir keine Pflanzenbestandteile
dorthin einführen dürfen. Genau deshalb wollte ich meine Salate und Früchte auch auf dem Schiff
noch essen… - na ja, wo ein Wille, ist auch ein Weg… und auf dem Schiff erfolgte keine Kontrolle
mehr. Im Nachhinein denken wir, zumindest dem Essens-Mitnahmeverbot lagen reine Verkaufsabsichten
zugrunde. Denn das Schiff bestand natürlich – ganz normal - aus mehreren Restaurants, Shops,
Bistros, Bars… Das Verbot funktionierte aber auch nur beim ersten Mal :-) und auch da nur unzureichend …
Um 20 Uhr startet die Fähre und eine lange Nacht von 10 Stunden auf “komfortablen” Liegesesseln in
Reih und Glied mit zig anderen steht uns bevor. Diese Sessel geben Pfötchen und haben Leselampe,
Kopfkissen und Decke. Nur Schlafen kann man in ihnen nicht wirklich – ihr kennt das bestimmt …
Schlafen auf dem Boden oder im Servicebereich ist natürlich strikt und mehrfach verboten worden.
…aber auch diese Restriktion weicht in der Praxis dann deutlichst auf…
Tasmanien empfängt uns im Hafen von Devonport am Sonntagmorgen um 7:30 Uhr eisekalt,
grau in grau und feucht.
Na prima, wären wir doch bloss im Warmen und Trockenen geblieben! Da wären wir auch ausgeschlafen gewesen.
Einige tasmanische Motorradfahrer hatten uns auf dem Schiff den Tipp gegeben, vor dem Start ins Land die
Wettersituation abzuklären. Falls das Wetter im Westen schlecht sei, die Ostroute zuerst zu fahren,
denn dort sei es dann meistens gut – und andersherum.
Tja, das Wetter ist im Westen schlecht und im Osten auch nicht viel besser… Am Horizont entdecken
wir im Osten aber einen zarten blauen Streifen – also zuerst Richtung Osten.
Nach ca. 1 Stunde Fahrt entdecken wir im Anschluss an einen kleinen ländlichen Sonntags-Market
ein einladendes Café am Hang. Die herzliche Inhaberin französisch-englischer Herkunft hält für
ihre Gäste alles erdenklich köstliche Selbstgemachte bereit und erzählt uns, dass sie Tassie so
liebt, weil es so englisch ist. Sie schaut auch gleich den Wetterbericht in ihrer Morgenzeitung
nach (morgen Regen, Dienstag schön) und gibt uns Tipps für die Fahrtroute. Nach diesem ersten
“warmen” Kontakt und einer Kurzplanung unserer Route starten wir zuversichtlich unsere
Tasmanien-Erkundung.
"Keine Straße auf Tasmanien ist gerade"
– diesen Satz hatten uns die tasmanischen Motorradfahrer mitgegeben – !!
und er ist (na ja fast) wahr!!
Grünes Land, Frühlingsspriessen, kleine landwirtschaftliche Gehöfte, viele Weiden mit Kühen
und Schafen, viel Holzwirtschaft, über und über blühende Bäume und Stauden, sanfte Hügel,
schmale mäandrierende Straßen, die abseits der Hauptrouten nicht mehr asphaltiert sind –
und die blauen Stellen am Himmel nehmen unaufhörlich weiter zu, juchhu !
Abends kommen wir in St. Helens an der Ostküste an, ein kleiner nett anzuschauender Fischerort.
Der Campingplatz dort (Big4-Kette) hat seine modern eingerichtete riesige Campers Kitchen
direkt neben den unpowered Campsites – und wir haben sie fast für uns alleine, was für
ein Luxus – und wie praktisch, denn der Morgen empfängt uns wie vorausgesagt mit leichtem
Regen. So können wir in Ruhe in der Küche packen und uns regenfest anziehen.
Wir haben so ein Glück! Der Regen hört sehr bald auf, der Himmel wird blau. Die Ostküste zeigt
sich in ihrer ganzen Schönheit. Ab diesem Tag nenne ich Tasmanien mit seinem Kosenamen “Tassie”.
Diese kühle Insel ist eine wirkliche Schönheit, ungeheuer vielfältig, noch sehr ursprünglich
(obwohl viel Raubbau getrieben wurde/wird), mit beeindruckenden Ausblicken.
Laßt Euch von den Bildern nicht in die Irre führen, wir konnten Tassie nicht im Ansatz
realistisch einfangen. Die Bilder schaffen es einfach nicht.
An diesem zweiten Tag, Montag, folgen wir der Ostküste bis zur Forestier Peninsula
(oberhalb Tasman Peninsula) und schauen uns das Tasmans Arch, das Blowhole und die
Devils Kitchen an – allesamt Einschnitte bzw. Löcher in der Steilküste, an denen das
Meer schäumend mit dem Land in Kontakt tritt. Anschließend biegen wir ins Landesinnere
Richtung Hobart (Hauptstadt) ab und übernachten südlich von Hobart am Meer bei Snug.
Nachts in Snug frieren wir uns den Popo ab, aber das Wetter ist auch am folgenden Tag schön.
Reisende, die nach fünf Tagen Westküste ebenfalls in Snug nächtigen, berichten uns,
dass sie tatsächlich seit Anbeginn im Westen Regen hatten und dies der erste schöne Tag sei.
Wir sind gespannt, ob unser Wetterglück auch an der bekannt
regnerischen West-Steilküste halten wird!
Am Dienstag besuchen wir in Hobart kurz den Hafen und den Battery Point – das
ist der historische Kern des alten Hafenbezirks mit engen Straßen und
malerischen kleinen Häuschen. Hobarts Häuser zeigen sich überhaupt eher
gemütlich niedrig und bunt aneinander gereiht.
Weiter geht`s Richtung Westküste – zunächst in den Mount Field National Park, der
uns ebenfalls wärmstens empfohlen wurde, u.a. wegen der Baumriesen dort. Der Haken
an der Sache: unser Zeitplan erlaubt uns maximal “ein kurzes Schauen”. Der Eintritt
in tasmanische Nationalparks – und es gibt glücklicherweise viele davon auf der
Insel – kostet aber immer Eintritt. Das ist ja auch ok, wenn man es wirklich den
ganzen Tag oder bei Wochen- bzw. Jahrespass länger nutzen will. Aber für eine halbe
Stunde mal eben schauen sind uns 20 Dollar dann doch zu viel. Baumriesen hatten wir
am Vortag schon in einem verwunschenen Forest gesehen – und was für welche! Also
weiter geht`s ohne Baumriesen, dafür durch herrliche Landschaften Richtung Westküste nach Strahan.
Bevor wir den Ort erreichen passiert jedoch folgendes: Reifenpanne oder “Die Glückssträhne geht weiter” (von Kai)
Um 16 Uhr halten wir an einem See mit Rest-Area um Fotos zu schießen.
Als es weiter gehen soll, sehen wir unseren total platten Hinterradreifen. Klasse!
Also Hinterrad raus. Der nächste Ort ist nach unserer Karte nur knapp 20 km entfernt,
da wird eine Werkstatt sein. Wer schon einmal selbst per Hand Autoreifen abgezogen hat,
weiß, dass das bequemer ist. Also an die Straße, Daumen hoch, das zweite Auto hält an.
Ja, der nächste Ort sei 20 km entfernt, aber eine Werkstatt gibt es da nicht, nur eine
Tankstelle, aber … Sie haben es eilig und nehmen mich mit. Jetzt lerne ich, wozu Transporter
an den Türen Haltegriffe haben, sie haben es wirklich eilig. Während der eine dem “Tankwart”
mein Problem erklärt, checkt der andere bereits meinen Rücktransport.
Die Reifendiagnose sieht dann gar nicht gut aus: Ventil abgerissen. Glaube ich zu diesem
Zeitpunkt auch. Jetzt erfahre ich, dass es genau einen Ort auf Tasmanien gibt, an
dem man keine Panne haben sollte, nämlich die Stelle, die wir uns “ausgesucht” haben.
In beide Richtungen sind es knapp 140 km bis zum nächsten Reifenhändler. Klasse!
Meinem Rück-Chaufeur bezahle ich einen Kaffee und ein Stück Kuchen und wir überlegen,
was zu tun sei. Er bietet mir an, das Rad mit in die Stadt zu nehmen und die Frau des
“Tankwartes”, die in der Stadt arbeitet, könne es morgen Abend gegen 18 Uhr zu uns an
den See bringen. Gefällt mir nicht, wenn da was daneben geht…
Annette und ich verbringen eine recht ruhige Nacht am See. Am nächsten Morgen werde
ich alleine in die Stadt trampen und Annette passt auf unsere Sachen auf. Finden wir
beide nicht toll. Um 6 Uhr stehe ich auf und um 10 Minuten nach 6 Uhr (!!!) sitze
ich in einem Toyota-Bus nach New Norfolk. Der Typ fährt jeden Morgen 580 km um
Zeitungen zu holen. Er bekommt dafür 10 Stunden bezahlt, braucht aber nur knapp 6,5.
Klar, welcher Fahrstil gepflegt wird !? “Ausgetragen” werden die Zeitungen wie
im Fernsehen zu sehen: Er hupt und dann fliegt die Zeitung aus dem Fenster über
die Straße in den Vorgarten, stark!
Als wir beim Reifenhändler ankommen, schließt der gerade seinen Laden auf.
Als der Schlauch raus ist, wird klar: Ventil ok, aber diverse Löcher im Schlauch
vom Abrieb auf dem Reifen. Deshalb hat er auch nur am Ventil gepfiffen... Hallo,
neuer Reifen vor ca. 2000 km montiert! Schlauchlosventil rein und die Sache ist
für 5 austral. Dollar erledigt.
Mit dem Rad in der Hand ziehe ich los, eine geeignete Stelle für die Rückfahrt
zu suchen. Ich muss ziemlich blöde ausgesehen haben. Nach 10 Minuten – viele haben
freundlich gegrüßt, aber nicht angehalten – fährt ein Kombi an die Tankstelle auf der
anderen Straßenseite. Der Fahrer kontrolliert den Luftdruck und dann zieht er ein
Handy. Nach dem Gespräch winkt er mir, ich solle kommen: Er muss heute ausnahmsweise
in diese Richtung und sein Auszubildender hat sich gerade krank gemeldet,
so ist der zweite Sitz frei. Glück muss man haben! (Was mache ich mit den drei Reifen in Perth?)
Kai ist um 10:30 Uhr am Mittwoch mit dem reparierten Reifen wieder da. Viel früher als
erwartet, prima, aber trotzdem haben wir einen ganzen halben Tag verloren. Das ist
viel bei nur fünf Tagen. Tassie hätte viel mehr Zeit verdient, aber das konnten wir
im vorhinein nicht so recht abschätzen und das schöne Wetter war reine Glückssache,
es hätte auch in Strömen regnen können.
Wir hatten vorab viele Tipps von Einheimischen erhalten: ein Nationalparkangestellter
empfahl uns z.B. den Freycinet National Park und den Maria Island National Park –
beide an der Ostküste, wo sehr viele Tiere sein sollen. The Nut bei Stanley (Nordküste)
mit herrlichem Ausblick. Marrawah zum Surfen (Nordwestküste). Die Strecke
zwischen Corinna, Rosebery und Zeehan als ideale kurvige Motorradstrecke “90 km
no traffic” (Westen). Und der “Airwalk” in den Wipfeln der Bäume (20 Dollar)
bei oder in Huonville (südwestlich von Hobart).
Im Anschluss an unser “Reifenabenteuer” folgen wir erneut erstaunlich abwechslungsreicher
Natur bis nach Queenstown, einer Minenstadt – viel Grün ist dort durch den Abbau
eingegangen – sparen uns den Fischerort Strahan, der hübsch, aber künstlich touristisch
sein soll und erreichen zum Übernachten Rosebery. Die Inhaberin dort ist glücklich über
das schöne Wetter, “normal” sind an der Westküste 260 Regentage pro Jahr. Dort werden
die sonnigen, nicht die Regentage einzeln gezählt…
Am letzten Tag auf Tassie, dem Donnerstag, fahren wir einen Abstecher Richtung
Cradle Mountains (wer dort in den Nationalpark will: es kostet Eintritt – dafür
bis 80 km Wanderwege quer durch den gesamten Park) und anschließend Richtung
Somerset an der Nordküste.
Bis zum Table Cape und Sisters Beach schaffen wir es nordwestwärts, dann müssen
wir zurück nach Devonport, abends geht es mit der Fähre wieder zurück.
Tassie hat uns im hügeligen Osten mehr Meeres- und Strandausblicke in allen
Schattierungen an blaugrünen (auch Regen-)Wäldern mit frischem hellem Frühlingsgrün
und saftigen Wiesen gezeigt. Im Westen waren die dominierenden Farben durch eher gelbe,
orange und gelbgrüne Vegetation bestimmt. Die Seen tiefblau bis schwarzgrün. Die Berge
im Landesinneren z.T noch schneebedeckt. Dort war auch die lange Dürreperiode noch
sichtbar an vertrockneten Farnen und Bäumen. Tassies Energie wird ausschließlich über
Wasserkraftwerke gewonnen. Durch die anhaltenden Dürren hatten sie dort für einige
Wochen Stromeinschränkungen.
Überall auf der Insel verschwenderische und farbintensive Blütenexplosionen.
Glyzinien blühen gleichzeitig neben Narzissen, Flieder und Rhododendron –
und das im zweiten Frühlingsmonat!
Wir hatten wohl das Glück soeben noch vor dem Touristenstrom ab Anfang November
dort zu sein. Zur Landwirtschaftsausstellung Ende Oktober soll es traditionell
den letzten Frost geben. Auch um diesen kamen wir herum, wenn es auch nachts hart
an der Grenze kalt war…
Wir hatten mit sämtlichen Rahmenbedingungen einfach nur Glück – und es war wunderschön!!!
Melbourne empfängt uns kalt und wolkig. Es war gut, dass wir auf Tassie waren,
in Melbourne war schlechtes Wetter in unserer Abwesenheit… An den beiden folgenden Tagen
ist es dann auch in Melbourne wieder warm und sonnig :-))
Als nächstes werden wir die Great Ocean Road fahren und dann Richtung Nullarbour
nach Perth an die Westküste Australiens starten. Also Küste, Küste, Küste in der
nächsten Zeit und keine Bäume, keine Bäume, keine Bäume.
So long!